ÖTV-Hauptvorstand muß zurückstecken

ÖTV wollte aus fadenscheinigen Gründen linken Sekretär loswerden/ Jetzt droht seine Versetzung  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

Der Bochumer ÖTV-Sekretär Norbert Kramer-Berning, der von der örtlichen Kreisverwaltung mit einer fadenscheinigen Begründung im Dezember 1990 vor die Tür gesetzt worden war (die taz berichtete), wird voraussichtlich weiter arbeiten dürfen.

Nach einem Gespräch beim Hauptvorstand der ÖTV steht, so der ÖTV-Betriebsrat Dieter Krause, „eine Kündigung oder eine andere arbeitsrechtliche Konsequenz nicht mehr zur Diskussion“. Allerdings stehe der endgültige Arbeitsplatz des Sekretärs noch nicht fest. Das Gespräch mit dem stellvertretenden ÖTV-Bundesvorsitzenden Willy Mück über den aufmüpfigen Sekretär, den die rechtssozialdemokratische Bochumer ÖTV-Spitze am liebsten gefeuert sähe, soll heute fortgesetzt werden.

Die Bochumer ÖTV-Gewaltigen, die Kramer-Berning seit langem im Visier hatten, glaubten Anfang Dezember endlich einen formalen Anlaß gefunden zu haben, ihn feuern zu können. Weil er sich geweigert hatte, einen DGB-Wahlaufruf, worin Hausbesetzer als Beleg für den „neuen gesamtdeutschen Rechtsextremismus“ angeführt wurden, bei einem Jugendfestival zu verteilen, habe er gegen seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen. Kramer-Berning mußte den Schlüssel abgeben, wurde dem Bezirk „überstellt“ und dort beurlaubt.

Der tatsächliche Trennungsgrund für die Bochumer ÖTV, die linke Gesinnung des Sekretärs und seine Sympathie für die PDS, kann schon gar nicht mit Erfolg vor Gericht vorgebracht werden. Als „Kompromiß“ zeichnet sich jetzt nach den Worten von Krause eine Versetzung ab.

Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der DGB-Wahlaufruf, der vom stellvertretenden ÖTV-Geschäftsführer Gisbert Schlotzhauer formuliert worden war, nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Die entsprechende DGB-Kreisvorstandssitzung, die den Aufruf in Auftrag gab, war laut Protokoll „nicht beschlußfähig“.