: Bundeswehr: "Kriegsangst geht um"
■ Neujahrsempfang mit Sekt und Bier am letzten Tag des UN-Ultimatums
Stille Andacht im Bremer Dom.Foto: Tristan Vankann
Bundeswehr: „Kriegsangst geht um“
Neujahrsempfang mit Sekt und Bier am letzen Tag des UN-Ultimatums
Geladen in den 14. Stock des Bundeswehrhochhauses Falkenstraße waren gestern Zivilisten und militärisch gedresste mit blank geputzten Schuhen: US-Konsulatsbeamte, Kommandeure, ein Senator, Marinekameradschaftler, Abgeordnete, Gewerkschafter BeamtInnen, Kirchenleute, Offiziere... Gereicht wurden Sekt und Bier. Es war Dienstag, der 15. Januar 1991. Der alljährliche Neujahrsempfang der Bremer Bundeswehr fiel zusammen mit dem letzten Tag des UN-Golf-Ultimatums. Der Hannoveraner Befehlshaber Generalmajor Adalbert v. der Recke hielt das Hauptreferat. Er ging darin viel eindrücklicher auf den drohenden Krieg am Golf ein, als sein ziviler Nachredner, der zahme SPD-Innensenator Sakuth, der ganz vergessen zu haben schien, was der SPD-Landesparteitag erst am Samstag mit Mehrheit entschieden hatte: „Kein Einsatz der Bundeswehr im Krisengebiet. Stopp aller Kriegsvorbereitungen.“
Generalmajor von der Recke entwarf zu Beginn seiner Rede ein bedrohliches Zukunftsszenario: „Die Kriegsangst geht um. Wenn es der Diplomatie nicht noch in letzter Minute gelingt, werden Heere aufeinanderprallen, deren Wucht auch Europa nicht verschonen wird. Der Krieg am Golf hätte einen hohen Preis: schwere Verwüstungen in der Golfregion mit weltweiten Folgen, Lebensgefahr und Überlebensgefahr für Israel, hohe Verluste an Menschenleben ...“ Diese Visionen hielten den Generalmajor jedoch nicht davon ab, den Beitrag der bundesrepublikanischen Streitkräfte einzufordern: „Die Bundesrepublik durfte jahrelang die Früchte der Freundschaft und der neuen Solidarität unter den Völkern ernten. Ich denke, daß wir nun auch bereit sein müssen, die Lasten der Solidarität zu tragen.“
Dann ging der Redner über zu dem lokalpolitischen Thema: Die geplante Reduzierung der Truppenteile in Bremen mit ihren „mancherorts schmerzhaften Auswirkungen“. Dazu gab es: Sekt, Orangensaft und Bier. B.D.
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