Papas Häuserkampf

■ „Die Verständigung“ von William Mastrosimone in deutscher Erstaufführung

Der Häuserkrieg tobt in Berlin und Hamburg. In Frankfurt weht nur ein leiser, harter Wind um die hohen Fassaden. Altes geht, Neues kommt. Die Spekulanten-Yuppies kaufen ihrem Daddy das Domizil unterm Hintern weg. Aus Papas guter Stube errichten Hausbesetzer das Bollwerk gegen die eigene Krawattengeneration und prügeln sich mit gleichaltrigen Uniformträgern. Ist der Häuserkampf tatsächlich noch ein Generationskonflikt?

In William Mastrosimones Verständigung (The Understanding) ist er es. Das 1978 entstandene Drama — geschrieben vor dem berühmten Vergewaltigungsstück Extremities des heute 43jährigen Amerikaners — veranstaltet ein Duell. Es ist ein ungleicher Kampf im Boxring. Der Sohn tritt als Bauunternehmer gegen seinen aus dem eigenen Haus zu vertreibenden Papa an; die beschwipste Maklerin schlägt den Gong zur ersten Runde.

Wer den Faustkampf verliert, steht fest. Der Boxring ist eher ein Tanzboden, auf dem sie sich artig Knüffe austeilen — dann in die Nacht spazieren, an Hochhäusern vorbei, Papa noch den Satz auf den Lippen: „Staat oder Mafia, wo ist der Unterschied?“ Der Vater, ein aufsässiger Steinmetz italienischer Herkunft, der infolge moderner Stahl- und Glasarchitektur ohne Arbeit ist, folgt dem Sohn und dessen Maklerfreundin aus dem Pendel der Abrißbirne: Sein Haus wird es nicht mehr geben.

Heiß, umtrieben, schlau wie ein Sizilianer, störrisch bis zur Verstörung, erobert der Vater einen Schuh der Maklerin. Ohne Bosheit nennt er sie Pasta asciutta, trockene Nudel, und den Schuh stinkender als seinen eigenen. Wein fließt in Strömen. Mit seiner Schwiegertochter, der Maklerin, beginnt ein Rededuell, das der Sohn, lediglich Retter seines Kinderspielzeugs, mit ihm nicht zustande bringt.

Der Zweikampf durchtriebener Sprachkünste ist mehr als das Boxen Mastrosimones eigentlicher Sport: Von Papa wird die Freundin gedemütigt bis zum Äußersten. Sie läuft barfuß Sturm gegen den alten Herrn, gewinnt ihn für sich; Vater wechselt — wundersame Rhetorik — auf ihre Seite. Der Boxkampf des Sohnes gegen Papa demonstriert noch dessen K.o.: „Man schickt ihn ins Reich der Träume“, ins Altersheim der Verlierer.

Wenn man hinterher erzählt, ist sonst nichts passiert. Während man im Theater sitzt und zuschaut, geschieht ungleich mehr: ein elegantes Spiel der Überredungskunst. Das Wunder ist die Fallhöhe, die eines von seinem Haus besessenen Vaters zu seinem schließlich freiwilligen Fortgang. Er hat im wahrsten Sinne Platz gemacht für ein neues Duell: das der Söhne zwischen Besitz, Spekulation und Anspruch auf Wohnraum. Arnd Wesemann

William Mastrosimone: Verständigung. Regie: Veronika Brendel. Mit Camillo d'Ancona, Ruth Hebel, Claus Rüttinger. Weitere Vorstellungen: 17. bis 19.Januar im Gallus Theater, 16. bis 19.März im Theaterhaus, 26. bis 28.April im Titania, alle Frankfurt