Plitsch, platsch — Quatsch!

■ Der Schwimmer Nils Rudolph wehrt sich gegen seinen Ruf als Sorgenkind der Nationalmannschaft

Berlin (taz) — Der Rostocker Schwimmer Nils Rudolph ist sauer und trotzig. „Jetzt klotze ich erst recht ran“, meint der 25jährige, der bei den Weltmeisterschaften in Perth zum schwarzen Schaf der deutschen Mannschaft wurde. Mit Medaillenchancen fuhr er nach Australien, von allen Seiten belächelt und beschimpft kam er nach einem Start im Staffelvorlauf wieder nach Hause. Verbands-Schwimmwart Hans Hartogh kritisierte: „Für Nils Rudolph war das Umfeld wichtiger als die WM.“

„Das ist doch Quatsch“, widerspricht Rudolph in Rostock. „Ich hatte wirklich nur das Schwimmen im Kopf. Hartogh habe ich selbst angesprochen. Er hat mir nichts vorgeworfen.“ Nachdem sich der Kurzstreckenspezialist von einer Bronchitis erholt hatte, erwischte es ihn ausgerechnet bei seinem ersten Einsatz in der 4x100-m-Freistil-Staffel. „Plötzlich konnte ich mich nicht mehr bücken. Hexenschuß. Ein Austausch war nicht mehr möglich, so quälte ich mich zur miesen Zeit von 50,78 Sekunden.“ Damit hatte er zugleich die Tickets für seinen vorzeitigen Rückflug gebucht.

Nils Rudolph ist ein Medientyp, immer gesprächsbereit und immer karrierebewußt. Eine Medaille bei den Weltmeisterschaften sollte ihm auch die Türen zu weiteren Sponsoren öffnen. Es war aber vorauszusehen, daß Rudolph nicht einmal den Endlauf der 50-Meter-Kraul erreicht. Das hätte die Geldgeber wiederum verscheucht — deshalb kniff er. So lautet die Erklärung, die den Sportler verurteilen würde.

Wahrscheinlicher aber ist die Angst der Schwimm-Funktionäre vor einem neuen Individualisten mit seiner unangenehmen, weil berechtigten Kritik. Beim Aktivensprecher Nils Rudolph besteht die Gefahr, daß er von seinem Freund Michael Groß in Perth viel Interessantes über die Inkompetenz seiner Verbandsgewaltigen erfahren hat.

Differenzen mit Bundestrainer Manfred Thiesmann hat er sowieso schon. „Er wollte von mir einen exakten Trainingsplan. Den konnte und wollte ich ihm aber nicht geben, weil ich mich nach Gefühl vorbereite.“ Thiesmann konnte das nicht verstehen und seitdem auch nicht mehr mit dem Rostocker reden.

Leider gibt es aber schon Anzeichen, daß der Individualist Rudolph den Weg zur Unmündigkeit eingeschlagen hat. Er zeigt Reue und räumt Fehler ein. „Ich wohnte mit Michael Groß in einem Zimmer. Er hat mich immer mit seinem Auto zum Training mitgenommen. So traf mich der Vorwurf, ich würde mich von der Mannschaft absondern.“ Kurioserweise wurden aber gerade Groß nie seine automobilen wie journalistischen Extratouren vorgeworfen. Das haben die Funktionäre längst als aussichtslos aufgegeben, achten aber nach Albatros' Abflug peinlich genau darauf, daß er ihnen kein neues querulantes Ei ins Schwimmverbandsnest gelegt hat. Der Rostocker jedenfalls zieht die verheerende Lehre: „Ich muß mich auf die Mannschaftsleitung besser einstellen.“

Damit müßte er sich selbst verraten, denn als Solist trainiert er gern allein und meidet den Trubel. Für die im März beginnende Weltcup-Serie strebt der Mecklenburger seine sportliche Rehabilitierung an. „Mit Superzeiten will ich es den Kritikern beweisen. Meine Wut hebe ich mir fürs Training auf, die macht mich dann noch ehrgeiziger.“ Und gehorsamer. bossi