piwik no script img

Götter-Software

■ Die Erschaffung der Welt als Computerprogramm

...und am siebenten Tag ruhte sich Gott aus. Weil aber die Computerindustrie nicht ruht, nahm sie nun den Joystick in die Hand, fing noch mal von vorn an und schuf das Schöpfungsprogramm SimEarth-The Living Planet, auf daß jeder User sein eigener Gott sei.

Ein paar Millionen Jahre dauert natürlich auch die künstliche Evolution, doch dem göttlichen Computerfreak scheint das wie ein paar Minuten. Vor seinen Augen erkaltet die Erde, kondensiert das Wasser zu Ozeanen, entwickeln sich einzellige Lebewesen, die zu Riesenreptilien auswachsen. Und er braucht nur die mouse anzuklicken — was für ein Gefühl! Hier ein Tropenwald, dort eine Saurierstadt. Mit der zunehmenden Entwicklung der Welt entwickelt er aber auch die Probleme: Erdbeben, Windstürme, Vulkanausbrüche. Der Allmächtige aber wäre nicht allmächtig, würde er nicht gleich Herr der Lage. Die Tiere vermehren sich zu schnell? Einfach die Reproduktionsrate heruntersetzen. Wird es zu warm? Dann sollte er lieber den Treibhauseffekt abschalten.

Mit der Krone der eigenen Schöpfung wird's dann aber auch für den Allmächtigen schwierig: Ein bißchen medizinische Forschung vernachlässigt, schon bricht die Pest aus. Läßt er die Menschen gar zu lange im Industriezeitalter verweilen, verwandelt sich die Erde in einen riesigen Müllhaufen — genau wie im richtigen Leben! So leicht ist es eben doch nicht, ein Gott zu sein.

Computerbenutzer ahnten es immer: Von der Gott-Ähnlichkiet sind sie nicht weit entfernt. Nun hat die Industrie die Lücke zwischen Ahnung und Wissen geschlossen. Macintosh-Besitzer sind Gott! Jahrelang mußten die Apple-User auf das Programm warten, aber es hat sich gelohnt: SimEarth-The Living Planet ist da. Die Erde wurde schließlich auch nicht an einem Tag erschaffen. Uwe Hellner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen