Entspannt warten die Märkte auf den Startschuß

■ Wenig Bewegung bei Aktien, Dollar und Gold/ Benzin und Öl teurer

Berlin (taz/dpa/ap) — In ungewöhnlichen Situationen versagt das standardisierte Wirtschaftsvokabular. Als „nervös“ oder „gespannt“ läßt sich die Situation auf den wichtigen Spekulationsmärkten nicht interpretieren, „ruhig“ trifft den Sachverhalt aber auch nicht recht. Eher lassen die Agenturmeldungen am Vortag des möglichen Kriegsbeginns, so makaber das ist, die Interpretation „Entspannung“ zu. „Flaue Geschäfte“ und „Händler unter sich“ meldete etwa 'dpa‘ am frühen Nachmittag, als ob auf den Märkten tatsächlich die letzten Vorbereitungen abgeschlossen seien und sich kein Handelshaus mehr durch unvorhergesehene Ereignisse vor dem Ablauf des Ultimatums irritieren lassen wollte. Geschwind wurden am Dienstag Ereignisse, die noch in der letzten Woche für deutliche Kursausschläge oder für deren Begründung gesorgt hätten, gewissermaßen heruntergedeutet oder zur Dämpfung jedes lauten Tons benutzt. Der Verzicht der PLO auf die Verknüpfung von Palästina-Frage und Kuwait-Besetzung etwa, eine halbe Stunde vor Schluß der Aktienbörse in Frankfurt bekanntgeworden, führte unaufgeregt zu leicht anziehenden Kursen bei insgesamt etwas stärkerer Abwärtsbewegung. Ende des Börsenhandels am Dienstag: Der DAX-Index verlor nur 2,18 Zähler und endete mit 1.325,62 Punkten.

Sonderlich überraschende Entwicklungen gab es nirgendwo rund um die Welt, zumal in Japan wegen eines Feiertages die Börsen geschlossen waren. Der Dow-Jones- Index in New York sank zeitweise um 54 Punkte, fing sich aber schließlich mit einem Verlust von nur 17,58 Zählern bei 2.483,91 Punkten. Die AktionärInnen konnten erneut dem US-Fernsehsender CNN danken: Der hatte zuvor ohne Quellenangabe Entspannung am Golf signalisiert.

Das Inferno, das der Computerhandel an den Börsen auslösen wird, ist vermutlich ebenso präzise vorbereitet wie dasjenige, das die US-Regierung am Golf auslösen wird. Einschließlich aller Überraschungen.

Das Ultimatum treibt jedenfalls erwartungsgemäß die Benzinpreise weiter in die Höhe: Am Dienstag haben auch Esso, Shell und Aral um drei bis vier Pfennig erhöht. Die Firmen begründeten dies mit den sprunghaft gestiegenen Preisen in Rotterdam, obwohl sie Erdöl und Erdölprodukte zum größeren Teil nicht aus Rotterdam, sondern aus eigenen Quellen bzw. über langfristige Verträge beziehen. In Rotterdam war am Montag verbleites Super von 276 auf 315 Dollar je Tonne gestiegen, bleifreies Benzin von 266 auf 305 und Gasöl von 274 auf 328.

Der Dollar gab hingegen leicht nach und landete zum Börsenschluß in Frankfurt bei 1,5422 (Montag: 1,5476) DM. Auch bei Gold und dem Schweizer Franken tat sich wenig: Die Feinunze des Edelmetalls, das wieder zur Ehre der krisensicheren Anlage gekommen ist, kostete in London 398,00 (398,60) Dollar. Für 100 Franken wurden in Frankfurt am Dienstag morgen 120,10 DM notiert.

Öl legte weiter zu: In Singapur mußte am Dienstag bei März-Lieferungen der Nordsee-Ölsorte Brent mit 28,80 Dollar für ein Barrel (159 Liter) über ein Dollar mehr gezahlt werden als bei Schließung der Warenterminbörse in New York am Vortag. Dort kletterte der Preis für März-Lieferungen um 3,49 auf 30,78 Dollar, nachdem er vorübergehend 32 Dollar erreicht hatte. Der Preis ist auf diesem Markt seit Mitte vergangener Woche um über sechs Dollar oder ein Viertel gestiegen, liegt aber noch immer etwa 10 Dollar unter dem Höchststand von 41,15 Dollar am 10. Oktober 1990. In Rotterdam lagen am Dienstag morgen die Preise knapp niedriger als am Vortag. Dietmar Bartz