EG-Länder beharren stur auf Subventionen für die Bauern

Golfkrieg könnte sämtliche taktischen Kalküle der Gatt-Kontrahenten USA und EG durcheinanderwürfeln/ Gestern Verhandlungen übers Verhandeln  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Er solle „intensive Verhandlungen führen mit dem Ziel der Beseitigung aller noch bestehenden Differenzen“. So lautete der Auftrag an Artur Dunkel, Generaldirektor des Allgemeinen Zoll und Handelsabkommens Gatt, nachdem am 8. Dezember letzten Jahres in Brüssel die Ministertagung der sogenannten „Uruguay-Runde“ gescheitert war. Doch als die hohen Beamten der 107 Gatt-Mitgliedsstaaten gestern nachmittag in Genf zu einer ausdrücklich als „informell“ bezeichneten Sitzung des Gatt-Handelsausschusses zusammenkamen, konnte Dunkel ihnen noch keine konkreten Fortschritte melden.

Bei den Sondierungsgesprächen, die er in den letzten Wochen unter anderem in Washington und in der Brüsseler EG-Zentrale führte, hat er nach eigenen Worten lediglich „Signale der Bereitschaft zur Überwindung der Meinungsverschiedenheiten erhalten“. Kern der Differenzen ist nach wie vor der Agrarbereich. Von der Überwindung dieser Differenzen hängt auch die Einigung über die anderen 14 Themenbereiche eines neuen Abkommens zur Liberalisierung des Welthandels ab.

Seit der Pleite von Brüssel haben sich die Fronten nicht verändert. Auf der einen Seite die USA, die 14 agrarexportierenden Staaten der Cairns-Gruppe und eine große Zahl von Drittwelt-Ländern, die eine Reduzierung der internen Agrarsubventionen um 75 Prozent sowie der Exportbeihilfen um 90 Prozent fordern. Auf der anderen Seite die EG, die ihre Agrarsubventionen lediglich um höchstens 30 Prozent verringern will und für die Kürzung der Exportbeihilfen bislang immer noch kein verbindliches Angebot gemacht hat. Der Brüsseler Landwirtschaftskommissar Ray Mac Sherry hatte in der vergangenen Woche gegenüber Dunkel lediglich einige Veränderungen genannt, die die EG-Kommission an ihrem urprünglichen Gatt- Angebot vom November vorgenommen habe. Danach soll als Berechnungsjahr für die Kürzung der internen Agrarsubventionen jetzt nicht mehr 1986, sondern 1989 gelten — als deutlich weniger Beihilfen an die Bauern gezahlt wurden. Ein Entgegenkommen also an die Vereinigten Staaten und die Cairns-Gruppe, die 1990/91 als Basisjahr vorschlagen, den Zeitpunkt, zu dem die Uruguay- Runde nach den ursprünglichen Planungen mit einem Abkommen besiegelt werden sollte.

Außerdem erklärte sich die EG- Kommission jetzt bereit, entweder weniger Geld für Exportsubventionen bereitzustellen oder aber die Menge der Agarprodukte zu begrenzen, deren Export gefördert werden darf. Auch die ursprüngliche Absicht der EG — von den anderen Gatt- Staaten als verschärfter Protektionismus kritisierte — zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des EG- Marktes vor ausländischen Agarimporten zu ergreifen, will die EG- Kommission jetzt nur noch für Ölsamen und Sojabohnen, nicht aber für Produkte auf Weizenbasis verwirklichen.

Selbst diese Verbesserungen, die von den anderen Gatt-Staaten als marginal und unzureichend empfunden werden, sind bislang noch nicht von den EG-Regierungen gebilligt worden. Sie liegen daher in Genf nicht in verbindlicher schriftlicher Form vor. Darüber hinaus werde es zunächst keine neuen Vorschläge geben, beschloß die EG-Kommission am Donnerstag letzter Woche. Erst am 19. Januar, also vier Tage nach dem Genfer Treffen, will die EG auf einem Seminar, zu dem alle KommissarInnen und die zwölf Landwirtschaftsminister eingeladen sind, eine Reform ihrer Agrarpolitik diskutieren.

Vor diesem Hintergrund äußerte sich die Handelsbeauftragte der USA, Carla Hills, enttäuscht und skeptisch. Sie warnte die EG, darauf zu setzen, daß sich die US-Regierung unter wachsendem Druck in den nächsten Wochen flexibler zeigen werde, weil am 1. März das Verhandlungsmandat vom Kongreß, der sogenannte Fast-Track ausläuft. Eine Verlängerung, die bis zu diesem Datum beantragt werden muß, hält Hills für ausgeschlossen, wenn die Bush-Regierung dem Kongreß nicht ein zu mindestens 85 Prozent fertiges Gatt-Paket vorlegt. Alleinige Voraussetzung dafür, so Carla Hills weiter, sei mehr Bewegung der EG in der Agrarfrage. Ähnlich, wenn auch etwas optimistischer, äußerten sich in den letzten Wochen Vertreter der agrarexportierenden Cairns-Gruppe.

All diese verhandlungstaktischen Kalküle könnte allerdings ein Krieg am Golf durchkreuzen. Schon in den letzten Wochen hatten zahlreiche Regierungen wegen der Golfkrise zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit für das Thema übrig. Im US-Kongreß mehren sich die Stimmen, die aus diesem Grund für eine Verlängerung des Fast-Tracks und damit des Spielraums für Verhandlungen mit der EG plädieren. Zu formalen Verhandlungen zurückkehren wollen USA und Cairns-Gruppe aber nur, wenn die EG ein verbessertes Angebot vorgelegt hat. Angesichts des Stillstands in der Sache würde es in Genf bereits als Erfolg gewertet, wenn nach Redaktionsschluß bei den gestrigen Beratungen des Gatt-Handelsausschusses wenigstens weitere Sitzungstermine oder gar ein konkreter Zeitrahmen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen vereinbart worden wären.