PKK-Prozeß gegen vier Kurden in Celle eröffnet

Ein Angeklagter unter Mordverdacht, drei andere sollen wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ belangt werden  ■ Aus Celle Jürgen Voges

Hochrufe der Angeklagten und des Publikums auf Kurdistan, auf die Kurdische Arbeiterpartei, PKK, und deren Generalsekretär „Apo“ Öcalan — so begann in der vergangenen Woche vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle der Prozeß gegen vier angebliche Funktionäre der „Arbeiterpartei Kurdistan“. Zweimal pro Woche wird seitdem im eigens gesicherten Sitzungssaal des OLG verhandelt, der in diesem Verfahren für Publikum und Presse nur nach Leibesvisitation erreichbar ist.

Etwa hundert Zeugen und mehrere Dutzend Sachverständige hat die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage benannt. Der 3. Strafsenat samt zwei Ersatzrichtern, zwei Bundesanwälten, acht Wahlpflichtverteidiger, acht Dolmetscher, das Dutend Polizisten im Gerichtssaal, die am Eingang kontrollierenden Justizbeamten — sie alle werden wohl auf Jahre mit diesem von der Bundesanwaltschaft angezettelten politischen Prozeß beschäftigt sein. Die beiden Anklageschriften der Bundesanwaltschaft werfen den vier Kurden neben der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“, Freiheitsberaubung bzw. Urkundenfälschung vor. Zudem steht einer der Angeklagten unter Mordverdacht an einem abtrünnigen PKK-Mitgliedes.

Gerügt haben die Anwälte gleich zu Beginn des Verfahrens eine Pressemitteilung des OLG zu dem anstehenden 129a-Prozeß und die vom Senat erlassene Sicherheitsverfügung. In der Presse-Information hatte das OLG als Tatsache behautet, was der ganze Prozeß erst beweisen soll: „Die Parteilinie der PKK gebietet es, Abweichler aus den eigenen Reihen bis zur physischen Vernichtung zu verfolgen.“

Die Sicherheitsverfügung, so führte der hannoveraner Anwalt Dieter Adler dann am zweiten Prozeßtag aus, schränke unzulässig die Öffentlichkeit des Verfahrens ein. Mit einem weiteren vorgeschalteten Antrag zieht die Verteidigung auch noch die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Celle in Zweifel ziehen. Sie sieht das Recht der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter verletzt, da sich in den Anklageschriften wenig Anknüpfungspunkte für einen Prozeß in Niedersachsen finden. Fast alle angeklagten Straftaten sollen sich in NRW ereignet haben.

Allerdins ist das in NRW für 129a-Prozesse zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem dort schon seit Oktober 1989 stattfindenden ersten PKK-Prozeß gegen 16 Angeklagte hinlänglich ausgelastet. Dieses Verfahren, das im wesentlichen dieselben Aussagen von Kronzeugen wie der Celler Prozeß stützt, ist nach 15 Monaten gerade bis zur zweiten Zeugenvernehmung vorgedrungen. Was den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ angeht, so sind die Anklagen von Düsseldorf und Celle bis in die Formulierungen identisch. Nachdem die Bundesanwaltsschaft ihrer Sicht des inneren Aufbaus der PKK dargelegt hat, werden in den Celler Anklageschriften insgesamt sechs Morde und ein Mordversuch aus den Jahren 1984 bis 1987 aufgelistet, die im Auftrage der Partei an abtrünnigen Mitgliedern und Repräsentanten konkurrierender Organisationen in der Bundesrepublik und in einem Falle auch in Stockholm begangen worden sein sollen.

Da nach gängiger Rechtsprechung der 129a nicht auf ausländische Organisationen anwendbar ist, vermeidet es die Bundesanwaltschaft, die PKK insgesamt als „terroristische Vereinigung“ zu bezeichnen. Auf der anderen Seite läßt sich aber auch keine in der BRD existiernde selbständige PKK-Teilorganisation abzugrenzen, deren Hauptzweck es gewesen sein soll, Mord oder Totschlag zu begehen. Als Hauptbeweis für die Mitgliedschaft der vier Celler Angeklagten in der nicht näher definierten Vereinigung müssen dann doch wieder deren angeblich hochrangige Funktionen in der PKK herhalten.

Da der Celler Staatsschutzsenat kaum darauf vertrauen kann, daß im Düsseldorfer Parallelprozeß zuerst ein Urteil gefällt wird und dort die Existens einer „terroristschen Vereinigung“ schon vorher festgezurrt wird, muß er sich für den Nachweis einer solchen Vereinigung auch mit Taten befassen, an denen die vier Angeklagten gar nicht mitgewirkt haben sollen. Sicherlich ein Novum auch für bundesdeutsche 129a-Prozesse.

Auch der einzige konkrete Mordvorwurf in dem Celler Verfahren steht auf schwachen Füßen: Im Februar letzten Jahres wurden in einem Waldstück bei Wipperführt skelletierte Teile der Leiche eines Kurden gefunden. Selbst die Bundesanwaltschaft räumt ein, daß bislang ungeklärt ist, wie das Opfer zu Tode kam und in welcher Form der vierte Angeklagte daran beteiligt war. Der Mordvorwurf stützt sich lediglich auf die Aussage eines der Kronzeugen der Bundesanwaltschaft, wonach der Anklagte ihm den Tod des Kurden aus Schweden telefonisch gemeldet haben soll.

Für die übrigen drei Angeklagten stehen der Verfahrensaufwand in Celle und die konkreten Tatvorwürfe ohnehin kaum in einem Verhältnis: Zwei von ihnen wird Freiheitsberaubung in einem bzw. zwei Fällen vorgeworfen. Sie sollen abtrünnige PKK-Mitglieder jeweils mindestens eine Woche lang gegen deren Willen festgehalten haben. Beim letzten Angeklagten bleibt als konkreter Tatvorwurf nur Urkundenfälschung übrig.

Daß die PKK in der Auseinadersetzung mit Ex-Mitgliedern Fehler gemacht habe, ist seit langem von der Führung der Arbeiterpatei Kurdistans selbst eingestanden worden, wenn sicher auch in einer die „Fehler“ beschönigenden Form. Eine Erklärung der von der PKK organisierten „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“ (ERNK) zum zweiten PKK-Prozeß in Celle räumt ein, daß einzelne mögliche Straftaten verfolgt werden. „Wenn es eine Straftat gegeben hat, dann sind wir nicht dagegen, daß diese vor Gericht verhandelt wird“, heißt es in der Erklärung. Der Bundesanwaltschaft wirft die ERNK allerdings vor, „in diesem Verfahren den Kampf des kurdischen Volkes“ anzuklagen. Die Bundesanwaltschaft solle aufhören, „die PKK mit veralteten Informationen zu bewerten“ und solle „von ihrer 129a-Manie Abstand nehmen und das Verfahren einstellen“.