: Krankenhäuser proben den Ernstfall
Unkoordinierte Aktivitäten einzelner Klinikleitungen zur Golf-Kriegsopferversorgung lösten Unruhe aus/ Blutkonserven knapp ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Der Arzt Helmut F. ist empört: Von einem Kollegen aus Israel hat er erfahren, daß dort frischoperierte Palästinenser aus den Krankenhäuser entlassen werden, um für potentielle Verletzte aus dem Golfkrieg Platz zu machen. Auch in seinem Krankenhaus, im Großklinikum Offenbach, sollen Betten freigemacht werden — für amerikanische GIs: „Ganz bestimmt nicht für einen einzigen Iraker!“ Wann das aktuell wird und wie viele Betten, das weiß er nicht, denn „das ist Chefsache“. Betroffen sein werden vor allem die MitarbeiterInnen in der Chirurgie, den Verbrennungen und die Internisten.
Auch in der Frankfurter Uni-Klinik wird geräumt. Der Personalrat nahm mit Erbitterung zur Kenntnis, daß zur Aufnahme verletzer Soldaten diejenigen Abteilungengen wieder geöffnet werden sollen, die bisher wegen Personalmangels geschlossen waren. Woher allerdings die Arbeitskräfte kommen sollen, ist den dort Beschäftigten ein Rätsel.
Im Stadtkrankenhaus Hoechst sind die Chefärzte, unbemerkt von der Öffentlichkeit, schon vor einer Woche konkret geworden. Sie zitierten das Personal zu einer Giftgasübung, bei der allerdings kaum mehr gelernt wurde, als daß das Gas schwerer ist als Luft und es sich deshalb empfiehlt, auf die Schränke zu klettern. Die Übung firmierte unter der Annahme, daß irakische Terroristen das Krankenhaus angriffen.
Winfried Beck, Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, berichtete, daß die Golfkrise bereits jetzt zu einem Engaß in deutschen Krankenhäusern geführt habe. Es fehle an Blutplasma, weil der Irak sämtliche internationalen Märkte leergekauft habe. Aus einem Krankenhaus wurde die Anweisung bekannt, Blutkonserven zu sparen und nur noch in „lebensgefährlichen Fällen“ zu verwenden.
Gestern vormittag versuchte die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Margarete Nimsch (Grüne), Licht in das Dunkel der Gerüchte und unkoordinierten Aktivitäten einzelner Krankenhäuser zu bringen, „erst einmal herauszufinden, was die Amerikaner überhaupt wollen“. Diese hatten sich offensichtlich ohne Rücksprache mit dem zuständigen Dezernat an die einzelnen Krankenhausleitungen gewandt und dort, von Fall zu Fall unterschiedliche Aktivitäten ausgelöst. Nimsch bat alle Beteiligten, insgesamt 20 Krankenhäuser und drei Cornells der US-Army, an ihren Tisch. Schon vorab hatte sie wissen lassen, daß sie sich keinesfalls an den Planungen beteiligen werde, Hilfe aber im Ernstfall nicht verweigern wolle. Die konkreten Wünsche, die ihr die zuständigen Offiziere dann vortrugen, nahmen sich eher bescheiden aus. Die Amerikaner baten für den Kriegsfall lediglich darum, Plätze für insgesamt 135 Patientinnen aus der gynäkologischen Abteilung des Militärhospitals freizumachen. Sie sollten dann in bundesdeutsche Kliniken verlegt werden, daß die eigenen Kinderärzte aber zu Internisten und die Gynäkologen zu Chirurgen gemacht werden. Zu der Übung im Hoechster Stadtkrankenhaus sagte sie, sie könne sich dies nur im Rahmen der routinemäßigen Notfallübungen vorstellen.
Über 2.000 in den Krankenhäusern beschäftigte Zivildienstleistende waren gestern in einen eintägigen Warnstreik getreten. Sie wollen ihren Dienst im Ernstfall generell verweigern.
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