Zwei führende PLO-Politiker in Tunis ermordet

■ Stellvertretender PLO-Chef Abu Ijad und Sicherheitschef Abu Al-Houl in Tunis umgebracht/ Täter war früher Mitglied von Abu Nidals Terrorgruppe/ Über die Hintergründe des Attentats herrscht Unklarheit/ Arafat sagt Besuch in Paris kurzfristig ab

Tunis/Beirut (ap/afp/dpa) — Die beiden engsten Mitarbeiter von PLO-Chef Jassir Arafat sind Montag nacht in Tunis ermordet worden. Hael Abdel Hamid, alias Abu Al- Houl, Sicherheitschef der PLO, und der stellvertretenden PLO-Chef Salah Chalaf, alias Abu Ijad, wurden gegen 23 Uhr MEZ beim Verlassen des Hauses von Abu Al-Houl in Tunis überfallen und erschossen. Auch ein Berater von Abu Ijad, Abu Mohammed Al-Umari, wurde getötet.

Das Attentat wurde von einer Tätergruppe unter Führung von Hamse Abdallah, einem Leibwächter von Abu Al-Houl, ausgeführt. Die Täter nahmen zunächst die Frau und die Tochter von Abu Al-Houl als Geiseln, wurden am Morgen aber von der tunesischen Polizei überwältigt und festgenommen. Zuvor hatte Hamse Abdallah die Bereitstellung eines Flugzeugs verlangt, mit dem er das Land verlassen wollte.

Nach Angaben eines PLO-Vertreters erfuhr Arafat von der Bluttat während eines Fluges von der jordanischen Hauptstadt Amman nach Paris. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums teilte in der Nacht zum Dienstag mit, der PLO- Chef habe seinen Paris-Besuch wegen der Morde kurzfristig abgesagt. Es war zunächst unklar, wohin Arafat anschließend reisen wollte. In Paris hatte er mit der französischen Regierung über Möglichkeiten zur Lösung der Golfkrise verhandeln wollen.

Die Spekulationen über die Frage, wer das Attentat aus welchen Gründen organisiert hat, reichten zunächst von „PLO-interner Fehde“ bis zu der Vermutung einer Beteiligung des israelischen Geheimdienstes Mossad. Aus Furcht vor Angriffen auf die PLO-Zentrale in Tunis hatte die tunesische Regierung bereits am Montag die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt und an strategisch wichtigen Orten Soldaten postiert. Diese Maßnahmen konnten das Attentat jedoch nicht verhindern. Der Mörder Hamse Abdallah soll ein früheres Mitglied der Terrororganisation „Fatah — Revolutionärer Rat“ des PLO-Dissidenten Abu Nidal sein. Wie von informierten Quellen übereinstimmend in Tunis und Nikosia zu erfahren war, gehört Abdallah erst seit einem Jahr wieder der Fatah, der wichtigsten PLO-Gruppierung von Jassir Arafat, an.

Ein PLO-Vertreter erklärte: „Wir wissen immer noch nicht, für wen er arbeitet. Er kann immer noch Bindungen zu Abu Nidal haben, er könnte aber auch für Israel arbeiten.“ Abu Nidals Organisation war 1974 aus der PLO ausgeschlossen worden, ihr Chef wurde von der PLO wegen Terrorismus zum Tode verurteilt. Er gilt als schärfster Gegner des PLO-Vorsitzenden Arafat. Auf Abu Nidal schien auch ein Kommunique der PLO zu deuten, in dem es hieß, der Attentäter sei ein „eingeschleuster Agent“, der „Beziehungen zu einer verräterischen Partei“ unterhalte.

„Das Timing ist alles“, kommentierte ein arabischer Diplomat in Beirut, der unbedingt anonym bleiben wollte, das Attentat. Es sei nicht wichtig, wer bei der Bluttat „die Zündschnur“ gezogen habe. „Wichtiger ist, wer der Hauptnutznießer der Tat ist“, fügte er hinzu, „und die Antwort auf diese Frage ist ganz eindeutig: Israel.“

Abu Ijad war als Nachfolger des 1988 von einem israelischen Kommando erschossenen Abu Jihad für den Aufstand der Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten zuständig. Wenige Stunden vor seiner Ermordung hatte er gegenüber der Pariser Zeitung 'La Croix‘ erklärt, er könne die Verknüpfung der Kuwait-Frage mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt als Palästinenser zwar nicht zurückweisen, doch wolle er nicht, daß Palästina „mit der Zerstörung der arabischen Region verbunden“ werde. Abu Al- Houl war innerhalb der PLO für Sicherheitsfragen zuständig.