Die engsten Vertrauten Arafats

■ Die Ermordung Abu Ijads und Abu Al-Houls trifft die PLO in einer entscheidenden Stunde

Die Behauptung, es gäbe absolut keinen Zusammenhang zwischen der Palästinafrage und der Golfkrise, wird durch die Ermordung zweier bedeutender Persönlichkeiten der PLO kurz vor Ablauf des Ultimatums des UN-Sicherheitsrates widerlegt. Der Zeitpunkt, die Umstände der Ermordung von Abu Ijad und Abu Al-Houl, wie auch die Funktionen, die sie innerhalb der PLO ausübten, sind selbst evident, erklären sie doch das Interesse ihrer Mörder an ihrem Tod.

Es bedarf keiner Prophetie, sich auszurechnen, daß dieser Tod in den Reihen des höchsten Gremiums der PLO Verwirrung stiften muß, daß Trauer und Wut unter der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, in den Lagern der arabischen Staaten und unter den Tausenden Palästinensern, die in der Golfregion leben, militante Aktionen provozieren könnten, die wiederum Anlaß zum „Einschreiten“ bieten und die Signale in Richtung Krieg am Golf verstärken.

„Der schwarze Prinz ist tot.“ Mit diesen Worten teilte am Montag der Nachrichtensprecher im libanesischen Rundfunk die Ermordung des führenden PLO-Funktionärs Salah Khalef mit. Khalef, auch Abu Ijad genannt, war der zweite Mann in der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) nach PLO-Chef Jassir Arafat und maßgeblich am Aufbau der Befreiungsbewegung beteiligt. Seinen Beinamen „Schwarzer Prinz“ erhielt er, weil seine Person nur in schattenhaften Umrissen bekannt war und er immer im Verborgenen agierte.

„Tod auf dem Wege zur Heimat“, so könnte man den Titel eines Buches von Abu Ijad umschreiben. Denn das Leben beider Ermordeter ist ein typisch palästinensisches Leben: Kindheit in Palästina, Vertreibung, Leben in Lagern, frühe Beteiligung an der Organisierung des palästinensischen Widerstands. Abu Ijads Weg führte von seinem Geburtsort Jaffa 1948 nach Gaza, über Kairo — wo er Philosophie, Psychologie und Pädagogik (an der Dar-el-Ulum- und Ain-Schams-Universität) studierte und im Vorstand der palästinensischen Studentenvereinigung war — zurück nach Gaza.

Er war dort Lehrer bis 1959 und anschließend Lehrer in Kuwait bis Mitte der Sechziger Jahre. Als Gründungsmitglied der Al-Fatah war er bis 1970 auch ihr Sicherheitschef. Von 1970 bis heute arbeitete er als Mitglied des Zentralkomitees für den Nachrichtendienst und in den letzten Jahren als eine Art Innenminister der PLO, der alle Bereiche der politischen Arbeit koordinierte.

Die Daten über Abu Al-Houl sind spärlich: 1939 in Safad, Galiläa, geboren, war er nach Aufenthalten in Syrien einige Jahre Student in der Bundesrepublik, ab 1971 Verantwortlicher der Al Fatah in Ägypten, gleichzeitig Mitglied des Zentralkomitees und in den siebziger Jahren eine Zeitlang Sicherheitschef der Al Fatah im Libanon. Nach der Ermordung von Abu Jihad, 1988 in Tunis, übernahm er dessen Zuständigkeitsbereich, das heißt, er war verantwortlich für die Verbindung der PLO mit der Intifada in den besetzten Gebieten.

Die Lebenswege der beiden unterscheiden sich nur unwesentlich. Ein größerer Gegensatz der Persönlichkeiten war dennoch kaum denkbar. Abu Ijad gab sich heiter-sarkastisch. Abu Al-Houl war sehr verhalten und fast düster. Wenn man die berühmte Zuordnung links und rechts bemühen will, so war ersterer dem linken Flügel der Al Fatah zuzurechnen, letzterer war schwer einzuordnen, ein Fouché der PLO. Nicht von ungefähr wird Abu Ijad zugeschrieben, daß er sich sehr früh schon für das Konzept des demokratischen Staates Palästina einsetzte, für einen Staat, in dem Juden, Christen und Araber in Frieden miteinander leben könnten. Im Gespräch formulierte er seine Antworten schnell, präzise und mit einem Anflug von Ironie. Typisch für ihn war, daß er die orthodoxe Linie mühelos verließ, auch Provokatives, von der Organisation noch nicht Abgesegnetes, zu formulieren wagte. Abu Al-Houl führte seine Gespräche eher im Dienste der Beschaffung von Informationen als der Preisgabe von Positionen.

In seinem Buch Heimat oder Tod schrieb Abu Ijad (und diese Aussage gilt für beide Ermordete): „Ich glaube nicht, daß es meiner Generation vergönnt sein wird, die Geburt eines unabhängigen Staates Palästina noch zu erleben und sei es nur auf einem winzigen Teil Palästinas... Sollte dies doch der Fall sein, so kann ich mir nicht vorstellen, daß er nicht von denen regiert wird, die seit 20 Jahren die nationale Befreiungsbewegung leiten.

Auch ein dauerhafter Friede ist undenkbar ohne die authentischen Vertreter des Palästinensischen Volkes.“

Die Ermordung beider Führer der PLO zielte darauf ab, gerade diesen dauerhaften Frieden ein großes Stück weit fortzuschieben.