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Spannung in besetzten Gebieten wächst

Tel Aviv (taz/dpa) — Die Nachricht von der Ermordung der drei PLO- Männer in Tunis führte in den von Israel besetzten Palästinensergebieten zu Trauerdemonstrationen, die die Besatzer zu verhindern suchten. Dabei wurden mindestens zwei junge Palästinenser getötet und über 60 verletzt. Am heftigsten waren die Zusammenstöße im Gaza-Streifen, wo Abu Ijad gelebt hatte. Die Israelis hatten unmittelbar nach dem Eintreffen der ersten Meldungen aus Tunis über den gesamten Gaza-Streifen und über weite Teile des Westjordanlandes eine Ausgangssperre verhängt, die jedoch nicht respektiert wurde. Ein von der Intifada-FÜhrung und der islamischen Hamas-Bewegung gemeinsam ausgerufener Generalstreik wurde dagegen weitgehend befolgt.

Auf die Morde von Tunis hat Israel äußerst wortkarg reagiert. In den Medien herrscht extreme Zurückhaltung und Funkstille; Spekulationen über die Täter und Kommentare zu den Auswirkungen sind nicht zu hören. Verteidigungsminister Mosche Arens erklärte: „Wir haben nichts damit zu tun.“

Schon zuvor hatte die israelische Militärverwaltung geplant, die Gebiete gestern oder heute zu „schließen“ und die Besatzungseinheiten zu verstärken, sobald der Golfkrieg ausbricht — womit die Israelis fest rechnen. Die Bewohner der besetzten Gebiete wurden verwarnt und aufgefordert, „ruhig zu bleiben“, weil Israel sonst „die Spielregeln ändern“ und auf alle Proteste „auf das Schärfste reagieren“ wird. Ein verschärfter Schießbefehl ist das mindeste, was die Palästinenser erwarten — aber auch die Furcht vor Massendeportationen geht um. Am Montag forderte die Intifada-Führung die palästinensische Bevölkerung auf, bei Ausbruch eines Golfkrieges auf keinen Fall ihre Wohnsitze zu verlassen. Man befürchtet, daß die israelischen Behörden die Palästinenser zu einer „Massenflucht“ veranlassen wollen, wie schon 1947/48, oder gleich eine Massenvertreibung durchführen werden.

Bei einer Antikriegsversammlung in Tel Aviv am Montag wurden israelische Friedensgruppen aufgefordert, alle ihre Kräfte gegen die Verwirklichung einer Deportation von Palästinensern einzusetzen. Zu den „Warnern“ gehörten der palästinensische Schrifsteller Emile Habiby, der Journalist Uri Avineri und mehrere Knesset-Abgeordnete. Andere Redner riefen israelische Soldaten dazu auf, die Ausführung illegaler Befehle zu verweigern. In Erwartung eines zunehmenden Drucks auch seitens der 50.000 schwerbewaffneten israelischen Siedler in den besetzten Gebieten gründen die Palästinenser bereits Selbsthilfekomitees. Es zirkulieren auch Flugblätter — deren Authentizität nicht erwiesen werden konnte — in denen zu „allen möglichen Mitteln“ gegen die Besatzer aufgerufen wird, sobald ein Golfkrieg ausbricht.

Israels Staatspräsident Chaim Herzog warnte gestern in einer Radioansprache vor palästinensischen Terroroperationen, die nach seinen Worten mindestens so gefährlich sein könnten wie irakische Raketen. Währenddessen warnten die Militärbehörden Israels vor einem irakischen Luft- oder Raketenangriff innerhalb der nächsten 24 Stunden. Nachdem am Wochenende hohe Beamte des US-State Departments und des Pentagon Koordinationsgespräche in Israel führten, wird mit Sicherheit angenommen, daß diejenigen irakischen Raketenstützpunkte, die Israel gefährden, von den USA zuerst vernichtet werden, sobald der in den nächsten Tagen erwartete massive amerikanische Luftangriff auf den Irak beginnt. Amos Wollin

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