DERMUSIK-TIP  ■  BAMBOO INDUSTRY

Neuerdings läßt sich das Chop Suey am heimischen Herd mit allerlei Tütenpulvern zubereiten. Weitgehend sind alle Tropen internalisiert. Bald wird das letzte Fernweh mit den Polen dahinschmelzen. In der Popmusik wird jegliche Fremdheit häufig genauso kultiviert wie im Reisebüro, daran tragen Vereinnahmungskünstler wie David Byrne oder Peter Gabriel den Löwenanteil. Es gibt auch eine weniger besitzergreifende Auslegung. Bill Nelson, Ryuichi Sakamoto und Japan haben so den fernsten Osten seinem Charme überlassen und ihm lediglich ihre musikalische Sprache beschreibend hinzugefügt. Bamboo Industry verfahren ähnlich — begegnend.

Sie knüpfen ihre eigenen Wurzeln, die von Europa bis nach Asien reichen, an eine Popgeschichte, die ihren Weg selten durch die Hitparaden gegangen ist. Wie Matt Johnson (The The), Peter Murphy (Bauhaus) oder David Sylvian (Japan) sie geschrieben haben. Sie tragen überfließende Gitarrenläufe dahin, von fragiler Schönheit und ohne Ziel, Solo-Exzess und träges Geplänkel. Im Gesang von Ingo Ito klingt die Unrast des Reisenden genauso mit wie dessen Genußfähigkeit, die ihn im Einklang mit Sehenswürdigem verharren läßt.

Eine frühe Zusammenkunft mit Robert Fripp läßt ihn die Gitarre ähnlich nach in sich ruhenden Klangbögen arbeiten. Dort herum siedeln die weiteren Bandmitglieder außereuropäische Tonalitäten und Rhythmen an. Vieles klingt sphärisch oder beruhigend, jedoch weit von New Age abgewendet und dem Dancefloor behutsam zugeneigt. Musik, die kreist, auf einem Einbaum über die Weltmeere und um den Äquator. Oder in Bücher hinein, zu Haschisch und Huren nach Marseille und Algier, dann zurück nach Marrakesch in die 60er Jahre. Für den, der zu reisen versteht, ist alles möglich. Harald Fricke

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