Keine Kassandra

■ „Sphinx&Co.“, Di., 15.1., West 3

Lueg und Genscher reden mit Frauenstimmen. Sofort ist aus ihrem aufgeblasenen Dialog die Luft raus. Was sie zu sagen haben, ist nicht der Rede wert. Fast beliebige Floskeln Bushs über die Neuordnung der Welt nach dem Kalten Krieg werden in einer Kuhlenkampff-Persiflage als „Machtgedanken“ ernstgenommen. Was Bush sagt, ist bedenkenswert. Durch solche kleinen Kniffe zeigen die Macherinnen von Sphinx&Co., daß sogar Sprachkritik im Fernsehen möglich ist.

Sphinx&Co. ist ein Frauenmagazin, „gedacht für jedermann“. Die zweite Ausgabe — diesmal großäugig-modisch moderiert — lief ausgerechnet am Abend des 15. Januar. Schade.

Das Magazin, das weder schrilles Weiberfernsehen noch Blick ins Fraueneckchen ist, hätte mehr Zuschauer verdient. Sphinx ist weder Sappho noch Kassandra. Der „weibliche Blick“ ist nicht Thema, sondern Methode. Die Männerkritik ist zugleich medienkritisch.

Das Themenspektrum war diesmal enger als in der ersten Sendung. Einzelexemplare der Sorte Macher- Mann wurden aufs Korn genommen. Ein flottes Stückchen zum „Heiligs Lechle“ (Walesa) stand neben einem unentschiedenen Halbporträt des Medienneuordners Mühlfenzl, das überdies noch Lektion über neue Seilschaften sein wollte; ein Verdi- Männerclub in Parma neben der liebevollen Vorstellung von Charlotte aus Mahlsdorf (Ex-DDR), Charlotte — alt, schwul, tuntig — erzählt deutsche Geschichte von irgendwo schräg unten. Quer zu allen Fronten und Identitäten hat sich Charlotte, von den Nazis gequält, von der Stasi drangsaliert, immer so „durchgeschwuchtelt“.

Der zentrale Beitrag des Magazins war eine gewagte, aber gelungene Zusammenstellung aus Prag und Pretoria, aus Bürgerforum und ANC. Frauen, oft Anstoßgeber für Revolten und Energieträger in unmittelbaren Umbruchzeiten, verschwinden im Zuge der Institutionalisierung neuer Macht. Diesem Vorgang wird ohne westliche Arroganz und Projektionen nachgegangen. In Südafrika wirken manche der kämpferischen Frauen — die Namen Tambo, Suzulu und Mandela fallen — wie Statthalter für ihre exilierten und inhaftierten Männer; der Prager Sprecherin des Studentenrats kam es zunächst darauf an, die Kommunisten zu stürzen.

Eigentlich sei sie ein konservatives Mädchen, bekennt sie. Nach dem Sieg kommt die Familie. Neues Verhalten gibt es nur in der Unordnung der Übergänge, nicht in der neuen Ordnung.

Auch wenn die Klatsch-Kolumne erneut fad war und über Mühlfenzl mehr behauptet wurde, als zu sehen war, der „andere Blick“ ist anspruchsvoll und analytisch. Ein vielfältiges Fernsehmagazin wächst heran, ohne Sensationen und Firlefanz, in dem aber wieder Menschen zu sehen sind. Bernd Gäbler