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■ „Allen geht's gut“ von Giuseppe Tornatore

Eine weitere Familiengeschichte steht mit diesem Film ins Haus, diesmal führte ein Italiener Regie. Ein Vater, gutmütig, trottelig (brillant: Marcello Mastroianni) und seine Kinder stehen im Zentrum der Geschichte, die natürlich einen Generationskonflikt zum Inhalt hat. Allerdings wäre der Film kaum ein „echter“ Tornatore, würden die zwischenmenschlichen Differenzen nicht von einem Meer aus Rührseligkeit getragen: Der letzte Film des Italieners, Cinema Paradiso, und seine arg strapaziöse Gefühlsseligkeit sind noch nicht vergessen.

Nach Angaben Tornatores ist Allen geht's gut ein Film über das Italien von heute, gesehen mit den Augen eines alten Mannes. Eines Tages hat Mateo Scuro alias Mastroianni sein sizilianisches Dorf verlassen, um seinen im ganzen Land verstreut lebenden Kindern einen Überraschungsbesuch abzustatten. Er hat 45 Jahre als Beamter von Castelvetrano seinen Dienst getan, was eine großartige Angelegenheit gewesen sein muß, denn Tornatore stellt uns einen zufriedenen alten Mann vor. Daß die Welt der Kinder, die in Großstädten leben und sich mit kaputten Beziehungen und schlechten Jobs herumschlagen, nicht ganz so heil ist wie Mateos eigene, hat er in all den Jahren sorgfältig übersehen. Unerfreuliche Entdeckungen begleiten denn auch seine Reise, er macht Bekanntschaft mit Politik, Scheidungen und Trabantenstädten.

In seinem Gestus ist Allen geht's gut der neorealistischen Filmtradition Italiens verbunden. Gleichzeitig ist Wirklichkeit hier nur ein Phänomen, wird zwar dargestellt, aber nicht durch eine Lupe, sondern durch die Milchglasscheibe. Jede Einstellung begleitet ein unhörbarer Seufzer: Ach ja, das Alter, ach ja, Italien. Das ist wohl der einzige Bezug, den Tornatore zum Thema seines Filmes hat: daß er es eigentlich selbst nicht versteht und vermutlich nie verstehen wird. Deshalb wohl erschöpft sich sein Bild von Italien in Mastroianni, Oper und Kitsch. Daß Alter keine Frage von Jahren ist, beweist Tornatore höchstpersönlich, Geburtsjahr 1959.

Einen Film über die Schwierigkeiten, das Chaos und die politische Szene seines Landes habe er drehen wollen, sagt der Regisseur. Entstanden ist dieser Film nicht. Lediglich Schatten sind erkennbar, die der postindustriellen Epoche sowie die eines konservativen Bewußtseins. Vater bleibt artig, und die Kinder geloben Besserung. Eine Konfrontation findet nicht statt. Kritik will Tornatore nicht üben, lieber hält er die Familie hoch, was vielleicht eine Sehnsucht ist. „Bitte hinterlassen sie eine Nachricht“, wiederholt der Anrufbeantworter in der Wohnung von Alvaro, Mateos ältestem Sohn, immer und immer wieder. Eine Bitte, die man auch an den Regisseur richten möchte. Christa Thelen

Giuseppe Tornatore: Allen geht's gut (Stanno tutti bene), mit Marcello Mastroianni, Michéle Morgan, Italien 1990, 120 Min.