Ein selbsternannter Profi im Dienste der Wirtschaft

Möllemann hat‘s geschafft: Er ist seiner eigentlichen Berufung als Dirigent der bundesdeutschen Wirtschaft gefolgt PORTRAIT  ■ Von Donata Riedel

„Nicht jeder, der Kompetenzen hat, hat auch Kompetenz.“ Diese Erkenntnis hat Jürgen Möllemann, der nun erster gesamtdeutscher Wirtschaftsminister sein wird, vor gut einem Jahr der 'Bild am Sonntag‘ anvertraut. Er meinte damit keinesfalls sich selbst, sondern all jene „kleinlichen Neider“, die damals seinen Gönner Genscher von der FDP-Spitzenkandidatur für den Wahlkampf 1990 zurückdrängen wollten. Sich selbst empfahl er im selben Interview — sollte Genscher „eines Tages“ aufhören — als Nachfolger für das Auswärtige Amt. Denn die internationalen Beziehungen seien derartig kompliziert, daß „man das einem Profi überlassen“ müsse.

Weil der Tag des Genscher-Erbes fern scheint, freut sich die taz-Wirtschaftsredaktion, daß nach dem „glücklosen Haussmann“ (Handelsblatt, FAZ, Süddeutsche) Politprofi Möllemann zwischendurch, bevor er Außenminister und Vizekanzler wird, Zeit für's Wirtschaftsressort erübrigen kann. Haben uns doch die „täglichen Haussmänner“, die Pressemitteilungen aus dem Bundesministerium, allmittäglich an den Rand des Tiefschlafs gebracht. Das kann uns mit „Jürgen“, wie viele nordrhein-westfälische Journalisten den Mann aus Appeldorn am Niederrhein nennen mußten, nicht passieren. Die Presse läßt er nie im Stich. 1983, als er seinen Job als Landesvorsitzender der FDP in NRW noch ernst nehmen mußte für den weiteren Aufstieg in höhere politische Sphären, konnten sich Düsseldorfer Landtagskorrespondenten auf den Anruf in der Redaktion („Jürgen ist dran“) nach wichtigen Sitzungen stets verlassen.

Schon damals stand Möllemann in dem Ruch, immer eine Meinung, ein paar Kompetenzen, aber null Kompetenz gerade in Fragen der Ökonomie zu haben. Dem muß entschieden widersprochen werden. Zeigt doch ein kurzer Blick ins taz-Archiv, daß dem mit 45 Jahren nicht mehr gar so jungen Dynamiker das deutsche Wirtschaftswohl von Anbeginn seiner Karriere sehr wohl am Herzen lag. 1983, Möllemann war gerade zum Staatsminister im Auswärtigen Amt avanciert, wies er Bonns Diplomaten in aller Welt per Runderlaß an, sich „stets bewußt zu sein, daß sie in diesem Bereich keine hoheitlichen Aufgaben wie eine Inlandsbehörde wahrnehmen, sondern Dienstleistungen im Interesse der Wirtschaft erbringen. 1980, Möllemann war noch einfacher Bundestagsabgeordneter (seit 1972), soll er sich verschiedenen Waffenfirmen gegen Bezahlung als Interessenvertreter angedient haben — unter Hinweis auf seine Mitgliedschaft im Verteidigungsausschuß. „Was der deutschen Wirtschaft frommt, auch Herrn Möllemann bekommt“, spotteten später die Diplomaten im Auswärtigen Amt.

Auch die Unterstellung, dem gelernten Lehrer fehlten Erfahrungen als Unternehmer, entpuppt sich als unzulässige Verkürzung der biographischen Tatsachen. Anfang der 80er Jahre beteiligte sich Möllemann, wenn auch nur kurzzeitig, an der Zeitschrift 'Twen‘ — einem am Markt eher glücklosen Blatt für jungdynamische Aufsteiger, appetitlich garniert mit nackten Busen und Frauenpopos. Und als Mitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft fiel der fixe Schnauzbart sogar dem gewiß nicht regierungsfeindlichen 'Rheinischen Merkur/Christ und Welt' als nimmermüder Lobbyist für die deutschen Wirtschaftsinteressen im Nahen Osten auf.

„Ungewöhnlich häufig“, schrieb 1984 auch der 'Spiegel‘, „kümmert sich der Arabienfan um die Nahostgeschäfte einzelner Firmen — mal sorgt er sich im Kontakt mit arabischen Botschaften um eine Exportlizenz, mal um rasche Visaerteilung, mal kommt er um Außenstände an.“ Ein Verhalten, mäkelte das Magazin, das in Arabien üblich, in Westdeuschland eher ungewöhnlich sei. Dabei sammelte der Jürgen doch bloß gezielt Berufserfahrungen.

Besonders erfahren zeigt sich der Anhänger des Fallschirmsports darin, immer wieder locker in die Schlagzeilen zu springen. Als es um die Spitzenkandidatur zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl 1985 ging, schockte er JournalistInnen mit der Ankündigung, wer gegen ihn antrete, der werde „abgebürstet und einen Kopf kürzer gemacht“. Den Schneid hat er wohl noch aus seiner Wehrpflichtzeit bei den Fallschirmjägern. Kurz darauf änderte Möllemann jedoch seine Pläne und verzichtete auf den Spitzenplatz.

Ein ehemaliger 'Stern‘-Journalist widmete dem „gnadenlosen Opportunisten“ gar ein ganzes Buch. „Der auf Public-Relation-Gags bedachte Politiker namens Möllemann ist ein untrüglicher Seismograph für die Wünsche der Zielgruppe: Karrieristen aller Art“, schrieb Reimar Oltmanns — und meinte das als Kritik. Dabei übersetzt der PR-Profi bloß das christliberale Wendemotto für die Wirtschaftspolitik — „Leistung muß sich wieder lohnen“ — in Klartext. Das zeigt der Slogan, mit dem Möllemann (nicht aber seine Partei) 1985 für die FDP Wählerstimmen werben wollte: „Freie Bahn dem Tüchtigen.“