Frankreich für Krieg

Mitterrand: „Gewaltanwendung von nun an legitim“/ Große Mehrheit in beiden Kammern für militärischen Golfeinsatz  ■ Aus Paris A. Smoltczyk

C'est la guerre! Mit sehr großer Mehrheit haben sich gestern nachmittag die französische Nationalversammlung und der Senat für die Beteiligung Frankreichs an einer militärischen Aktion am Golf ausgesprochen. Lediglich die Kommunisten, die Abgeordneten der Front National, einige Gaullisten und acht Sozialisten verweigerten der Regierung ihre Zustimmung.

Punkt sechs Uhr hatte Präsident Mitterrand die beiden Kammern Nationalversammlung und Senat zu Sondersitzungen einberufen, um über die vorgesehene Regierungserklärung zum Golf abzustimmen. Eine formelle Kriegserklärung, die dem Parlament laut Verfassung zur Abstimmung vorgelegt werden müßte, wird es angesichts des zu erwartenden Charakters des Konflikts nicht geben. Während vor dem Palais Bourbon etwa zehntausend Kriegsgegner demonstrierten, wurde gegen Mittag eine Erklärung Mitterrands verlesen: „Von jetzt an ist die Anwendung von Gewalt legitim, deswegen werde ich den Einsatz aller Mittel befehlen, um den Irak zu zwingen, sich aus Kuwait zurückzuziehen.“

Vor den Abgeordneten rief Premierminister Michel Rocard die Nation dazu auf, ihre „Soldaten des Rechts“ zu unterstützen: „Der Wille zum Frieden ist eine Sache, Ohnmacht eine andere. Und die Geschichte lehrt uns, daß letztere den Friedenswillen zerstören kann“, erklärte Rocard und versprach, daß keine Rekruten am Golf eingesetzt würden.

Es ginge nicht darum, „für Kuwait zu kämpfen“, sondern dem Prinzip des Rechts zum Erfolg zu verhelfen, um so zukünftige Kriege zu vermeiden. Eine Haltung, der sich die Sprecher der bürgerlichen Fraktionen im wesentlichen anschlossen.

Dagegen lehnte der Fraktionsvorsitzende der Kommunisten, André Lajoinie, die Regierungserklärung ab: „Dies ist nicht unser Krieg!“. Wie könne man behaupten, Kuwait retten zu wollen, wenn nach einem Krieg von diesem Land nur noch Trümmer übrig bleiben würden“, fragte Lejoinie. Für die Front National verlangte die einzige Abgeordnete Marie-France Stirbois die sofortige Heimkehr der französischen Soldaten, deren „Blut für die großen Öl-Gesellschaften vergossen werde.

Weil diese Position auch in der sozialistischen Partei weit verbreitet ist, hat deren Vorsitzender, Pierre Mauroy, bis Dienstag abend im Parteivorstand versucht, zumindest die Deputierten auf Präsidenten-Linie zu bringen.

Auch die hektische, weder mit der EG noch den USA abgesprochene Soloaktivität Frankreichs im Sicherheitsrat wurde nicht zuletzt deshalb entfaltet, um der Parteibasis zu beweisen, daß Mitterrand bis zuletzt versucht habe, das Schlimmste zu verhindern. Dennoch weigerte sich der linke Parteiflügel um die „Nouvelle Ecole Socialiste“ standhaft, der Rocard-Erklärung im Parlament zuzustimmen.

Pikanterweise sitzt einer der erklärten Kriegsgegner ausgerechnet auf dem Stuhl des Verteidigungsminsters. Jean-Pièrre Chevenement, einst Gründungsmitglied einer franko-irakischen Freundschaftsgesellschaft, hat bis zuletzt kein Hehl aus seiner Überzeugung gemacht, daß Frankreich andere Interessen in der Golfregion habe, als die Amerikaner.

Gestern nun versprach der Minister, er werde von nun an seine ministerielle Pflicht erfüllen. Zugleich mußte er bestätigen, daß die französischen Truppen am Golf vom ersten Moment der Auseinandersetzungen unter amerikanischem Oberkommando stehen würden, wenn auch nur für „determinierte Missionen“, wie Michel Rocard später präzisierte.

Die für gestern abend vorgesehnene Großdemonstratn der Golfkriegsgegner wurde vom Polizeipräfekten verboten. Der Innenminister hat sämtliche Gendarmen und Polizisten in Bereitschaft versetzt, um Terroranschläge, aber auch Aktionen zu verhindern, die geeignet wären, die Moral der Truppe zu beeinträchtigen. Antoine Waechter forderte die Soldaten im Namen der Grünen auf, „nicht (an den Golf) zu gehen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben“.