Stillborn und H.P.Zinker

■ 600 Kilometer verschluckter Asphalt

Slayer im Norden: Bei Stillborn, vier äußerst dunklen Gestalten aus dem Schwedischen, muß man sich auf einigen Unflat gefaßt machen, den sie unterhalb der Gürtellinie ausgerichtet verschütten.

In den Texten fließt viel Blut, werden mehr Menschen dahingeschlachtet als im ganzen Splatter-Genre zusammen. Bei soviel Brutalität schlägt der Schockmoment sehr leicht in Parodie um, und was beinhart beginnt, wird wernerblödelnd ausgelöffelt: »I eat Pittsburg steel, shit Budweiser cans« (»Nuke 'em all«), huahhuah. Andererseits ist die Gewalttätigkeit so feinsäuberlich appliziert wie das Hell's Angels-Logo auf der drecktriefenden Kutte, guter alter Harley- Manierismus.

Dem Motorrad-Mythos ist Stillborn denn auch besonders verbunden. Mit bleischwerem Rhythmus (1.200 Kubikzentimeter- Klasse) und heulenden Gitarren (extrem kurzer Bremsweg) versehen, starten alle Songs durch, als wollte man eben mal 600 Kilometer Asphalt verschlucken. Während der Fahrt brennt und pikert die Band jedem, der mitfährt (zuhört), ihr Zeichen auf den Arsch, und das ist immer wieder der gleiche blütenweiße Schädel. Der Tod ist ein Meister aus Schweden.

Slayer im Süden: Österreich, anno 1989. Der knapp 20jährige Hans Platzgumer übt sich in einer Coverversion von »South of Heaven«, dem Klassiker der Speedmetalkönige. Das spielen zu dieser Zeit viele, aber nicht mit Cello und Akustikgitarre.

Für soviel Skurilität sind selbst die Alpen zu flach, den Innsbrucker und seinen Bassisten Frank Pümpel führt die heimische Langeweile schon bald von den hohen Bergen über den großen Teich. Als im Kraxeln Geübte siedeln sich H.P.Zinker in New York an und steigen dort prompt auf: Gigs im CBGB's, Schulterklopfen von Sonic Youth- Vater Thurston Moore, Plattenvertrag.

Dafür liefert der Exoten-Bonus (wie einst bei Arnold Schwarzenegger) nur den Bruchteil an Wegzehrung. Der »Zinker-Sound« besticht mit unnachahmlichen Klangbilderbastelbögen. Klassikbetonte Gitarrenintros, abrupte Rhythmusschwankungen, traurig sich dahinschleppende Melodien. Dann plötzlich Aufschrei, schwelende Kraft und Hymnengloriensehrhardrock.

Das alles funktioniert einmalig eigentümlich und bestärkt die verschrobene Melancholie im Gesang von Platzgumer, der unverbraucht leidend die Wechselbäder kommentiert. Selbst wenn er sich in den verlorensten Balladen eines Nikki Sudden verliert, bringt er es fertig, sie gefaßt wie das Verenden des letzten aller Sommer düster abrockend erklingen zu lassen. Bergman- Filme in Metall (schon wieder ein Schwede mit Todesvisionen).

Für Biker, die ab und zu mit der Bahn reisen und dabei schwermütig aus dem Fenster auf die dahinfliegenden Bäume starren. So schnell könnte es gehen. Harald Fricke

Um 21 Uhr im Ecstasy