Opto-akustisches Treibgut

■ Die letzten Veranstaltungen der »Konferenz für audio-visuellen Optimismus«

Im Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße hat in der vergangenen Woche unter dem Titel »Konferenz für audio-visuellen Optimismus« eine Veranstaltungsreihe stattgefunden, deren intellektueller wie sinnlicher Nährwert sich antiproportional zur Zahl der Besucher verhielt. Allzuwenig Studenten fanden den Weg in den reich geschmückten Saal, um die Gelegenheit zu nutzen, auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter Rückschau zu halten und Brauchbares auszusortieren für das Leben in der Post-Apokalypse.

Wieviel haben Sie verpaßt! H.P. Neidhardts überlaute Tonbandcollagen etwa, Ready-Mades aus vorgefundenem Hörfunk- und Fernsehmaterial, wobei Wort und Musik bis zum vollständigen Bandrauschen verändert wurden. Oder das von Dr. Heinrich Dubel vorgetragene lyrische Gedicht — als »klassischer Diavortrag« angekündigt — das Dubel mit Lichtbildern ausgebrannter Luftfahrzeuge unterlegte.

Am zweiten Veranstaltungstag erschien immerhin die Reporterin eines Berliner Stadtmagazins, wenn schon ihr Klientel nicht anwesend war, um den Auftritt des Eschweiler Duos Trickbeat zu verfolgen. Während die Musik vom Band des Vierspurrecorders kam und Axel Grumbach live etwas Neues daraus machte, sang Theo Rick allerlei in der Wirklichkeit Vorgefundenes. Zwischen den »Tracks« dozierte Philosophiestudent Rick, und trotz des mißlungenen Versuchs, ein Lied über den amerikanischen Angriffskrieg am Persischen Golf mit Filmbildern aus dem Vietnamkrieg zu synchronisieren, überzeugte Trickbeats Kettensägenmassaker an der Popmusik.

Der Auftritt des Wahlberliners Markus Schwill dagegen blieb im Ungefähren stecken. Die quälend-monotonen Tonschleifen, unterlegt mit Rhythmen der Electric Body Music, wurden auch durch die üblichen Filmclips nicht besser: die ewig wiederkehrenden Bilder von Sex, Gewalt, Natur und Technik waren seelenlos wie die Musik, und vielleicht war das auch die Intention des Künstlers. Mehr als eine Reminiszenz an »Undergroundfestivals« war Schwills computergestützter Auftritt jedoch nicht.

Die ausgewählten Videoarbeiten aus den Siebziger Jahren, auf einen Großbildschirm projeziert, und die Filmcollagen des amerikanischen Doktors Rafael Montanez Ortiz, die am Sonntag und Montag vor leeren Reihen präsentiert wurden, zeigten Tonbildexperimente wie die enervierende Hundedressur »Dog« von 1978 und Arbeiten Nam June Paiks. Zudem war ein Ensemble von Rafael Ortiz aus drei Videobildschirmen zu sehen, auf denen je ein Musiker zu sehen und zu hören ist. Unmerklich verändert sich die nur halbsekundenlange Ton-/Film- Schleife — einen Trommelschlag, einen Geigenstreich lang — so daß immer andere Töne von dem synthetischen Orchester gespielt werden.

Am Dienstagabend trat Oskar Sala auf, der über 80jährige Erbauer des Mixturtrautoniums, eines mit Hilfe eines metallischen »Widerstandsfadens« gespielten elektromechanischen Instruments. Nach einem Vortrag Salas mit Tonbeispielen über die Entwicklung des Trautoniums seit den Zwanziger Jahren und dem beeindruckendem Werbefilm »Stahl — Variation eines Themas« von 1961 — zu dem er die Musik beisteuerte — spielte Sala eine Eigenkomposition auf dem Trautonium.

Verpaßt und vorbei. Doch das Festival mit dem an Qualität gemahnenden Untertitel »Schandflöte für schlechte Musikanten« geht bis zum Sonnabend weiter, Zeit genug, um sich zu rüsten für die letzte Schlacht, einem Gemetzel mit der Popmusik, die — wenn wir den Worten des Rechtsabweichlers Rio Reiser von 1971 Glauben schenken dürfen — bekanntlich wir gewinnen werden.

Etant Donnes, so der beziehungsreiche Name der Gruppe, die heute abend im Ballhaus auftritt, ist der letzten Arbeit des Dadaisten Marcel Duchamp entnommen. Die Musik von Etant Donnes, so das Programmheft, »ist nicht an musikalischem Ausdruck interessiert. Ihre Soundarbeiten sind nicht mit elektronischen Instrumenten, sondern ausschließlich mit Tonbandgeräten erstellt. Das musikalische Material ist vor allem Soundtrack für rituelle Gesten.«

Bei einem Konzert der französischen Gruppe vor drei Jahren wählten die beiden Brüder ein Kinderkaspertheater als Rahmen für ihre Schau, während der sie sich gegenseitig mit Sahne bespritzten. Außerdem werden am Freitagabend RON/SAFY mit einem Multimediaprogramm und der US- Filmprofessor Paul Sharits auftreten, sofern der amerikanische Freund, der bereits zu Beginn der Woche erwartet wurde, bis dahin in Berlin eingetroffen ist.

An Abschlußabend am Samstag bestreiten drei Bands. Nach der »Konzeptmusik«- Gruppe ZANX (»Ein Schwerpunkt stellt die gleichzeitige Anwendung von elektronischem und akustischem Instrumentarium dar... Hieraus leitet sich ein wesentlicher Ansatz ab, nämlich die Gleichberechtigung von tonalem Material und Geräusch.«) und Zoviet France aus Großbritannien, für die Anonymität ein wichtiger Faktor ihrer Kunst ist, wird die niederländische Kombo DEM unter dem Motto »Die Wüste ist monotheistisch« ihren Diskussionsbeitrag zum Golf- Konflikt leisten. Stefan Gerhard

Freitag und Samstag im Ballhaus Naunynstraße, jeweils 20 Uhr.