„Rüstungsbetriebe jetzt bestreiken“

■ taz-Gespräch mit dem Betriebsrat des Bremer Vulkan, Fritz Bettelhäuser

Der IG-Metall Arbeitskreis „Andere nützliche Produkte“ auf der Werft „Bremer Vulkan“ verteilt seit Mittwoch einen offenen Brief, in dem von „Streik“ die Rede ist. Wörtlich heißt es in dem Brief: „Rüstungsexporte müssen generell verboten werden. Wir wollen nicht an Produkten arbeiten, die eines Tages unseren eigenen Tod bedeuten. Dies bedeutet auch, daß Firmen, die noch immer Rüstungsexporte in den Irak durchführen oder Wartungsverträge einhalten, bestreikt werden. Genauso muß auch der Eintritt der Bundeswehr mit Wehrpflichtigen in den Golfkrieg bestreikt werden.“ Fritz Bettelhäuser ist Mitunterzeichner des offenen Briefes und Mitglied des Betriebsrats der 2.000 Vulkan-Beschäftigten.

taz: Wie ist die Stimmung auf der Werft?

Fritz Bettelhäuser: Alle gucken ganz schweigsam und betroffen aus dem Gesicht raus. Und keiner weiß so richtig, wie er jetzt so alles einschätzen soll. Vor Arbeitsbeginn wird erstmal unheimlich diskutiert. Jeder, der die Gelegenheit hat, nicht auf dem Schiff gerade sein zu müssen, hört natürlich jedesmal die Nachrichten.

Warum wollen Sie bei einem Kriegseintritt nur dann streiken, wenn nicht nur Berufssoldaten, sondern auch Wehrpflichtige beteiligt sind?

Berufssoldaten sind für uns bezahlte Söldner. Für die setzen wir uns nicht ein. Die Wehrpflichtigen sind unsere Arbeitskollegen. Wir können sie nicht auffordern zu desertieren, weil die die Konsequenz, die Gefängnisstrafe trifft. Wenn einer desertiert, kann ich ganz leicht klatschen. Nein, ich muß ihm den Schutz der Arbeiter und der Gewerkschafter geben. Und das geht nur, wenn die Gewerkschaft zum Streik aufruft.

Der DGB in Bremen hat für Freitag zu fünfzehn Denkminuten in den Betrieben und Verwaltungen aufgerufen. Ist Ihnen das zu wenig?

Das wird sich noch herausstellen, ob das zu wenig ist. Wir haben Freitag um dreizehn Uhr Feierabend. Von fünf vor zwölf bis zehn nach zwölf Uhr soll die Gedenkpause sein. Wenn wir aber um fünf vor zwölf nach Hause gehen, kann um zwölf Uhr nichts mehr passieren. Die Parole, die auf vielen Wänden steht, heißt ja auch: „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“

Also sind Ihnen diese 15 Denkminuten zu wenig?

Was ist zuviel, was ist zu wenig in dieser Situation? Zu wenig ist, daß die Gewerkschaften sich jetzt erst einschalten und langsam in die Hufe kommen. Was ist zuviel? Zuviel wüßte ich im Moment überhaupt nicht, was ich dazu sagen soll.

Wie ist die Resonanz auf das Flugblatt?

Die Meinung unter den Kollegen ist übereinstimmend: Wenn die Bundesrepublik nicht die Waffen an den Irak geliefert hätte, wäre diese Kriegsführung jetzt nicht möglich. Anstrengender wird es bei der Frage: Wie weit soll man gehen bei einem Verbot von Rüstungsexporten? Die Exporte in die Dritte Welt wollen alle sofort verbieten. Differenzierter sehen die Kollegen das bei Exporten in die NATO- Länder. Und unter türkischen Kollegen gibt es die Position: Wir wollen nicht als Dritte- Welt, sondern als NATO-Land angesehen werden.

Wir sind der Auffassung: Wenn wir jetzt nicht die Rüstungsexporte anpacken, wo alle Leute das jetzt sehen und das Beispiel ganz dick da ist, dann schaffen wir's nie wieder. Und da habe ich den Eindruck, als wenn da etliche Leute in der Gewerkschaft zuviele Aufsichtsratsposten haben und da nicht ran wollen.

Welche Betriebe in Bremen wollen Sie bestreiken? Wie steht es mit dem Vulkan selbst?

Es liegen hier zwei Kriegsschiffe und zwei Fregatten, die laufen unter bundesdeutscher Flagge. Wir haben seit zwei, drei Jahren keinen Rüstungsauftrag mehr, der irgendwo hingeht. — Aber innerhalb Bremens gibt es viele Betriebe, für die das zutrifft und das muß eben innerhalb der IG-Metall beraten werden. Ich kann jetzt nicht sagen: So und die Firma, die guck ich mir jetzt aus. Ich kann doch nur mit den Kollegen was machen, und nicht gegen die Kollegen. Und ich kann auch nur was mit der Gewerkschaft machen und nicht gegen die Gewerkschaft. Das ist das Problem dabei. Interview: Barbara Debus