Das Sorgentelefon im Weißen Haus: „Nett, daß Sie anrufen ...“

■ Im White House Common Office laufen die Telefondrähte heiß/ Tausende von Anrufen täglich zum Thema Golfkrieg INTERVIEW

Aus Wut und Verzweiflung über das eigene Gefühl der Hilflosigkeit sind in den letzten Tagen Tausende von Menschen gegen den Golfkrieg auf die Straße gegangen. Andere rufen im Weißen Haus an, um dem US-Präsidenten persönlich die Meinung zu sagen, „weil man schließlich alles versuchen muß“, wie eine Berlinerin, Mitglied einer kirchlichen Friedensgruppe, es ausdrückt. Wer dort anruft, dem wird — wie die taz selbst testen konnte — mit ausgesuchter Höflichkeit begegnet, so als ginge es um die Genesungswünsche für First Lady Barbara und ihr gebrochenes Bein, und nicht um einen verheerenden Krieg.

Nach lang anhaltendem Freizeichen meldet sich eine angestrengt höflich klingende Frauenstimme:

Guten Tag, hier spricht das White House Common Office. Kann ich Ihnen helfen?

Ich rufe aus Berlin an und würde gerne Ihrem Präsidenten etwas sagen...

Das können Sie gerne.

Ich bin absolut entsetzt über die Situation im Golf und frage mich, warum sich der Präsident den Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Mitterrand nicht etwas mehr zu Herzen genommen hat.

Oh, darüber hat er eine Menge nachgedacht, aber Mr. Hussein hat das ja rundweg abgelehnt. Aber ich begrüße das sehr, daß Sie sich die Zeit nehmen, hier anzurufen und Ihre Meinung sagen.

Was passiert nun mit meiner Meinung?

Wir schreiben das auf und bringen ihm das runter. Er sieht sich das jeden Tag an. Wir kriegen ja ein paar tausend Anrufe jeden Tag.

Und wie ist die Meinung der Leute?

Manche sind für und manche gegen den Krieg. Was stärker wiegt, läßt sich jetzt noch nicht sagen. Aber Sie können sicher sein, daß niemand in der Welt in großes Jubeln ausbricht.

Wenn Sie ihn denn jeden Tag sehen, wissen Sie vielleicht ja auch, ob sich Mr. Bush tatsächlich über die Folgen eines solchen Krieges im klaren ist. Für die Menschen und für die Umwelt...

Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen. Aber ich schreibe das gerne auf. Möchten Sie vielleicht noch etwas sagen...

Ja, ich würde gerne wissen, wie Sie über diesen Wahnsinn denken!

Tut mir leid, aber ich sitze nur hier, um die Anrufe zu notieren. Ich bin nicht befugt, meine Meinung zu sagen.

Kürzlich sah man Mr. Bush alleine über den Rasen des Weißen Hauses spazieren, und der Sprecher meinte, er sei mit sich im reinen. Vielleicht können Sie ihm ausrichten, daß der Rest der Welt überhaupt nicht mit sich im reinen ist, sondern aus allen Fugen gerät.

Aber natürlich kann ich das weitergeben. Schönen Dank, daß Sie sich die Zeit genommen haben, um anzurufen. Ich werde ihm sagen, daß er einen Anruf aus Berlin bekommen hat, und daß Sie keine Notwendigkeit für einen Krieg sehen.

Das Gespräch bricht ab.

Gespräch: Andrea Böhm

Telefonnummer für das Weiße Haus: 001-202-456-1111