Japan: Riesiger Kurssprung durch das „größtmögliche Unglück“

Tokio (taz) — Nippons Börsenmakler hatten endlich wieder Grund zum Jubeln. Auf den Kriegsausbruch in Nahost reagierte der Tokioter Börsenindex „Nikkei“ am Donnerstag mit einem außergewöhnlich hohen Tagesgewinn. Er legte insgesamt 1.004,11 Punkte zu, der bisher steilste Anstieg in diesem Jahr, und verbuchte am Abend 23.446,81 Punkte. Den Grund zum Optimismus entnahmen die Tokioter Börsenmakler dem scheinbar günstigen Kriegsverlauf im Golf. „Der Markt hat schon vorausgesehen, daß der Krieg schnell enden wird“, freute sich Jun Harakawa, der Finanzberater eines führenden Versicherungsinstituts.

Gewinner des Tages waren die Aktien führender japanischer Schwerindustrien wie etwa Mitsubishi Heavy Industries oder Ishikawajima Harima. Diese Unternehmen verfügen über große Raffinerieanlagen in der Golfregion. Gleichzeitig ist Mitsubishi Heavy Industries Nippons führendes Rüstungsunternehmen. Dennoch wehrten sich Tokioter Börsenbeobachter gegen eine allzu „ereignisbetonte“ Interpretation des Marktgeschehens. Erst wenn eine langfristige Analyse des Golfkrieges möglich sei, würden die großen Tokioter Wertpapierhäuser reagieren.

Zur Vorsicht rieten auch der Vorsitzende der japanischen Notenbank, Yasushi Mieno und der Vorsitzende des Keidanren-Unternehmerverbandes, Gaishi Hiraiwa. Mieno sprach sich dabei nicht mehr grundsätzlich gegen Zinssenkungen aus; sie könnten internationalen Kreditengpässen vorbeugen. Währenddessen bezeichnete Keidanren-Chef Hiraiwa den Golfkrieg als „größtmöglichstes Unglück“. Hiraiwa verzichtete darauf, den US-Angriff im Golf ausdrücklich zu unterstützen. In Tokio stellten sich gestern lediglich Regierungsverantwortliche und Angehörige der liberal-demokratischen Regierungspartei öffentlich hinter die US-Aktionen. Georg Blume