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Fünf Minuten täglich gegen den Krieg

In ganz Hessen gingen Menschen auf die Straßen/ SchülerInnen blockierten Verkehr in Frankfurt  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

In den S- und U-Bahnen drängen sich schon am Morgen die Frankfurter SchülerInnen zur Demonstration. Bis zum Mittag sind es über 10.000, die in der Innenstadt zwischen Opernplatz und Römerberg hin und her ziehen. Sogar die Polizei blickte vorerst mit Wohlwollen auf die Massen, die, „Tendenz steigend“, so Polizeisprecher Wagner, bis zur Großkundgebung am Nachmittag immer mehr werden. Bis auf „kleinere Scharmützel“ habe es keine „Zwischenfälle“ gegeben. Angemeldet wird nichts mehr, alles laufe „spontan“. Dazu gehört auch, daß sich der Zug der SchülerInnen am Mittag mit dem des Deutschen Gewerkschaftsbundes vereinigt, der zu einer Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus aufgerufen hatte. IG Metall und IG Medien beteiligen sich und haben zu einem zweistündigen Warnstreik aufgerufen. In der ganzen Stadt breiten sich die spontanen Aktionen aus. Eine Mahnwache sitzt auf dem Paulsplatz. Schon um sechs Uhr morgens hatten fünf Kriegsgegner den Eingang des amerikanischen Headquarters blockiert. Sie waren sofort festgenommen worden. Auch der Asta meldete aus seinen Reihen mehrere Festnahmen nach einer nächtlichen Spontandemonstration. Auf dem Alleenring, an dem amerikanische Kasernen und zahlreiche Wohnhäuser der GIs liegen, staut sich der Verkehr kilometerlang wegen der Sicherheitssperren der US- Armee. In der Innenstadt rollt zeitweilig nichts mehr, weil SchülerInnen Kreuzungen besetzen. Eine kleine Gruppe Protestierender versammelte sich auch vor der Frankfurter Börse. In deren Innerem ging es gestern laut, erregt und euphorisch zu. Die Aktien stiegen und stiegen, die Broker gerieten fast außer Rand und Band. „Wenn man das sieht“, sagt eine junge Frau, „dann wissen wir, warum Krieg ist.“ Ein Rundfunkreporter, der hier vor Ort sein muß, stellt fest, daß „ich gar nicht soviel fressen kann, wie ich kotzen muß“. Andere Gruppen blockierten die Friedensbrücke über den Main oder zogen vor das Headquarter. Die Vollversammlung der Frankfurter Universität beschloß einen unbefristeten Streik und wird den für das Wochenende geplanten Hochschulkongreß zu einem Diskussionsforum machen.

Ähnliche Aktivitäten wie in Frankfurt werden im Laufe des Tages aus ganz Hessen gemeldet. In Wiesbaden ist der Platz vor dem Rathaus voll von Menschen. Am Landtagsgebäude hängt ein Transparent der Grünen: „Stoppt den Krieg“. Sie und die SPD werden alle noch anstehenden Wahlkampfveranstaltungen zur Diskussion über den Krieg nutzen. CDU und FDP sagten den Wahlkampf ganz ab. In Kassel sind über 5.000 SchülerInnen auf der Straße, in Darmstadt und Fulda, in Michelstadt und Hofheim wird demonstriert, Butzbacher SchülerInnen sind im Streik, in Gießen ist ein US- Depot blockiert. Offizielle Stellen haben alle Empfänge mit amerikanischen Gästen abgesagt. Gestern mittag rief der evangelische Kirchenpräsident Spengler dazu auf, täglich ab zwölf Uhr die Glocken gegen den Krieg zu läuten. Evangelische und katholische ChristInnen rufen gemeinsam dazu auf, die Arbeit täglich von 12 bis 12.05 Uhr niederzulegen.

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