Israel: Beste Laune und Siegesstimmung

Rabin: „Hut ab vor Bush und seinen Streikräften“/ Regierung warnt Bevölkerung vor verfrühter Euphorie/ Westbank, Gaza und Ostjerusalem unter Ausgangssperre/ Palästinensische Protestaktionen/ Armee warnt Palästinenser vor schärferen Maßnahmen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach dem ersten US-Angriff auf Stellungen der irakischen Luftwaffe im Westen des Landes, die als Ausgangspunkt für einen Schlag Bagdads gegen Tel Aviv galten, war die Stimmung in Israel gestern morgen von Erleichterung und Euphorie beherrscht. Israelische Politiker warnten jedoch davor, sich nun in Sicherheit zu wiegen. Die Bevölkerung wurde vom Kommando der Streitkräfte aufgefordert, weiter in den Wohnungen zu bleiben und ihre Gasmasken bereitzuhalten. Nur Bürger, die an Maßnahmen zum Katastrophenschutz beteiligt seien, dürften ihre Häuser verlassen. Sie wurden aufgefordert, ihre Gasmasken mitzunehmen. Doch trotz dieser Warnungen zeigte sich die große Erleichterung überall sehr deutlich: Viele, die sich noch am Vortag in ihre gesicherten Zimmer zurückgezogen hatten, gingen am Donnerstagmorgen wieder auf die Straße — mit freudigen Gesichtern, in bester Laune und siegesbewußt.

Die Begeisterung für die USA und ihre Streitkräfte ist groß. Der Vorsitzende der Arbeiterpartei Shimon Peres, der vor drei Tagen verkündet hatte, es gebe nun keine Opposition mehr in Israel, erklärte gestern Morgen, daß „die letzte Nacht ein großartiges Ereignis für die demokratische Welt“ war.

Peres-Parteifreund Jitzhak Rabin, Stabschef im Sechs-Tage-Krieg 1967 und bis vor einem Jahr Verteidigungsminister, äußerte sich zufrieden über die Koordination zwischen den USA und Israel und lobte, daß das Großmachtspotential der USA es vermocht habe, Israel aus dem Krieg herauszuhalten. Rabin meinte, der Erfolg des ersten US-Angriffes werde wie Israels Angriff im Juni '67 Kriegsgeschichte machen. Dieser Erfolg werde den Krieg verkürzen, der jetzt erst begonnen habe. „Hut ab vor Bush und den amerikanischen Streitkräften“, meinte Rabin mit ehrlicher Bewunderung.

Der Vorsitzende des Knesset- Ausschusses für Sicherheit, Elijahu Ben-Elissar (Likud), lobte ebenfalls die Kriegserfolge der USA, warnte jedoch zugleich vor verfrühter Euphorie: „Wir müssen abwarten, bis ein vollständiger Sieg errungen ist.“ Verteidigungsminister Mosche Arens und mehrere Experten wiesen ebenfalls darauf hin, daß die Gefahr für Israel noch nicht ganz vorrüber sei. Man solle nicht Frohlocken, solange die Kriegsmaschinerie Saddams nicht völlig zerstört sei. Ministerpräsident Jitzhak Shamir stellte nochmals klar, daß Israel sich im Falle eines irakischen Angriffs verteidigen werde. Er warnte die Palästinenser vor jeglichen Versuchen, Saddam Hussein aktive Unterstützung zu gewähren. „Israel wird Bewohnern seines Landes nicht gestatten, sich als fünfte Kolonne zu formieren“, erklärte Shamir.

In der Westbank und dem Gaza- Streifen wurde eine Ausgangssperre verhängt. Die Bevölkerung wurde gewarnt, daß andernfalls Schußwaffen eingesetzt werden würden. Die besetzten Gebiete wurden außerdem zu militärischen Sperrzone erklärt und den Palästinensern der Zugang nach Jerusalem untersagt. Auch über Teile Ostjerusalems wurde am Donnerstag morgen eine Ausgangssperre verhängt. Dennoch kam es dort zu Zusammenstößen zwischen maskierten palästinensischen Jugendlichen und israelischen Soldaten. Eine Meldung, auf das US-Konsulat seien drei Schüsse abgegeben worden, löste Festnahmen von Palästinensern aus, wurde jedoch vom Konsulat selbst dementiert. Alexandra Senfft, Sprecherin der UNWRA in Gaza, berichtete gegenüber der taz von „nervösen militärischen Patrouillen“, die es niemandem gestatteten, das Haus zu verlassen.

Der Kommandant des südlichen Gaza-Streifens sagte am Mittwoch gegenüber Journalisten, daß der örtlichen palästinensischen Bevölkerung klargemacht worden sei, daß die Soldaten im Falle einer israelischen Verwicklung in den Krieg viel schärfer durchgreifen würden — „eben wie im Krieg“. Im Gaza-Streifen werde dann das Kriegsrecht in Kraft treten. Einer 'Reuter‘-Meldung zufolge ist beabsichtigt, auch Panzer in den besetzten Gebieten zu stationieren, um Unruhen im Zusammenhang mit dem Golfkrieg zu vermeiden oder zu unterdrücken.

Faisal Husseini, Palästinenserführer aus Ostjerusalem, reagierte auf den Golfkrieg kurz mit den Worten: „Wir Palästinenser suchen eine politische Lösung und lehnen alle Arten von militärischer Aktion ab.“ Es gehe den Palästinensern darum, ihre Existenz vor Ort zu verteidigen und Tendenzen in der Armee zu bekämpfen, die Bevölkerung aus den besetzten Gebieten zu vertreiben. Mohammed Zeidan, Sprecher der Dachorganisation palästinensischer Bürgermeister in Israel, erklärte, daß seine Organisation einen Augruf veröffentlichen werde, in dem das Blutvergießen der Amerikaner und ihrer Alliierten am Golf bedauert werde. „Kriege bringen nur Verheerungen und lösen keine Probleme. Dem Krieg muß sofort ein Ende bereitet werden, und der Konflikt ist nur durch Verhandlungen zu lösen“, heißt es in dem Aufruf.