Jetzt die Kampfhandlungen beenden

■ Gert Bastian, Ex-General und einst Abgeordneter der Grünen, über den Golfkrieg INTERVIEW

taz: Mit dem Kriegsbeginn gegen den Irak begann die Diskussion um ein möglichst schnelles Ende dieses Krieges. Die Luftangriffe werden von den alliierten Militärs als äußerst erfolgreich angesehen. Was halten sie von einer solchen Wertung?

Gert Bastian: Die Luftüberlegenheit der Amerikaner und ihrer Verbündeten war so gravierend, daß eine militärisch effektive Gegenwehr von irakischer Seite von vornherein nicht anzunehmen war. Ich habe nie verstanden, weshalb man die irakischen Streitkräfte in ihrem Kampfwert so überschätzt hat. Es war — und das will ich nicht verschweigen — allerdings äußerst bedenklich, daß der Irak über chemische Waffen verfügt(e). Die deutsche Industrie hat ja auf verbrecherische Weise ihren Teil dazu beigetragen. Aber in den klassischen Kategorien der Land-Luft-Streitkräfte war der Kampfwert des Iraks im Vorfeld weit überschätzt worden. Die Luftangriffe haben die Überlegenheit des Westens so eindeutig bewiesen, daß der Krieg sehr schnell hat entschieden werden können.

Was folgt aus ihrer Einschätzung?

Der Krieg sollte jetzt beendet werden.

Kann es nicht sein, daß der Irak die Überlegenheit der alliierten Luftstreitkräfte einkalkuliert hat, sich einbunkerte und später einen Gegenangriff startet?

Es kann sein, daß sie noch mobile oder auch verbunkerte Raketenstellungen irgendwo im Gebirge zur Verfügung haben. Aber damit können sie das Blatt nicht mehr wenden. Sie können damit anderen Ländern, vor allem Israel, Schaden zufügen, Menschen umbringen, aber sie können auf keinen Fall mehr die gesamtmilitärische Auseinandersetzung zu ihren Gunsten wenden. Deshalb wäre es töricht und nur noch ein Akt verbrecherischer Vergeltung, wenn der Irak solche Waffen, sollte er sie noch einsatzfähig haben — was ich bezweifle —, doch noch zum Einsatz bringt. Es gibt keinen Grund mehr nach diesem vernichtenden Schlag aus der Luft, den Irak weiter anzugreifen. Man sollte jetzt einseitig vom Westen aus einen Waffenstillstand erklären, um dem Irak Zeit zu geben, die Situation zu überdenken und zu der Entscheidung zu kommen, jetzt doch zu kapitulieren und die Truppen aus Kuwait zurückzuziehen.

Glauben Sie, Saddam Hussein lenkt jetzt ein?

Man kann sich jetzt nicht mehr nur an Saddam Hussein orientieren, der, wenn man seine Äußerungen im Fernsehen zur Kenntnis nimmt, an einem kaum mehr begreiflichen Realitätsverlust leidet. Vermutlich werden nicht alle seine Mitstreiter und vor allem seine hohen Militärs unter einem ähnlichen Realitätsverlust leiden. Ich sehe die Chance, daß diejenigen im Irak, die die Dinge noch real unter dem Eindruck der erlittenen Niederlage sehen, sich durchsetzen. Es ist einfach notwendig zu kapitulieren und die Truppen aus Kuwait zurückzuziehen, um weitere Schläge zu vermeiden. Interview: mtm