Das Kondom — schwer an den Mann zu bringen

■ Erektion: „Eine empfindliche Kiste“ / Gespräch mit Thomas Jürgens, Pro Familia

Männer können Keilriemen montieren. Männer können Waschmaschinen anschließen. Warum können Männer nicht fachmännisch mit Kondomen hantieren? Die taz sprach darüber mit Thomas Jürgens. Er ist Männer-Berater bei Pro Familie.

taz: Gilt nach zwanzig Jahren Frauenbewegung immer noch: Männer lassen verhüten?

Thomas Jürgens: Ja. Zumindest was die Praxis angeht, ist es so, daß zu vier Fünfteln die Frauen verhüten. Wenn man die Männer allerdings fragt: wer ist für Verhütung verantwortlich? Dann antworten fast alle: Beide sind verantwortlich.

Ich speziell möchte gerne, daß Männer sich mit den Verhütungsmethoden, die ihnen als Mann zur Verfügung stehen, intensiver auseinandersetzen: Das ist zum einen die Sterilisation des Mannes, und das ist zum anderen das Kondom. Oder Stichpunkte wie Coitus interruptus oder Methoden, die noch in der Entwicklung sind, wie die Pille für den Mann.

Speziell beim Kondom finde ich es sehr schade, daß dieses Verhütungsmittel so einen schlechten Ruf genießt. Die Statistik sagt immer: Sehr viele Männer haben irgendwann mal Erfahrungen mit Präservativen gemacht, aber nur sechs oder sieben Prozent der Männer benutzen es regelmäßig.

Warum setzt sich das Kondom nicht durch?

Bei jungen Leuten habe ich manchmal das Gefühl, daß die die Nase ziemlich voll haben von der Verknüpfung von Kondomen mit dem Thema Aids — und damit mit der Bedrohung durch Krankheit und Tod. Für junge Leute kommt sicherlich hinzu: Beim Kondom muß ich ja die Verhütung praktizieren in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Miteinander- Schlafen. Deswegen sind so viele junge Leute äußerst dankbar, daß es Methoden gibt wie die Pille, die genommen werden können zeitlich versetzt zu der an sich ja schon aufregenden Situation des Miteinander-Schlafens.

Die Abneigung gegen Kondome beschränkt sich ja nicht auf die jungen Männer.

Ich benutze selbst Kondome. Für mich ist das eine Verhütungsmethode, die umso besser wird, je öfter man sie benutzt. Und je erfahrener man mit Kondomen ist. Das ist etwas, was man als Mann gut lernen kann.

Die Frage ist: Warum tun Männer sich trotzdem so schwer? Und da habe ich das Gefühl: Es kommen eine ganze Reihe von anderen Argumenten rein: Ich denke, es gibt Unterschiede in der Sexualität des Mannes zur Sexualität der Frau. Männer definieren sich viel stärker über diesen Körperteil Penis, Schwanz, Phallus als Frauen über Scheide, Vagina oder Brüste. Daß Männer sehr empfindlich sind, wenn irgendetwas nach Angriff auf diesen Körperteil aussieht. Und natürlich muß ich das Kondom, wenn ich es benutzen will, über diesen Schwanz rüberzeihen. Natürlich weiß jeder Mann, daß die Schritte von einem nicht-eregierten zu einem eregierten Penis manchmal nur sehr kleine sind, daß das eine ziemlich empfindliche Kiste ist, daß die leicht gestört werden kann, daß Männer das nicht unter Kontrolle haben, was sie sonst in vielen Bereichen haben. Daß das Problem von Erektionsstörungen eine ständige Bedrohung ist. Weil Männer die Reaktion der Frau fürchten, weil sie selber unsicher sind... Wenn sie verhüten lassen, brauchen sie sich dem nicht zu stellen. Und haben ein Problem weniger am Hals.

Häufig kommt das Argument: „Mit einem Kondom fühlt man weniger.“

Das Argument kommt von Männern und von Frauen. Ich habe manchmal das Gefühl, das ist ein vorgeschobener Grund. Die Kondomfirmen werben ja selber mit Latexstärken von was weiß ich wieviel Zehntel-Millimetern. In der Werbung steht: Viel dünner als das menschliche Haar. So daß von der naturwissenenschaftlichen Seite eine Gefühlsminderung, daß ich durch so eine Gummiwand in meinen sexuellen Empfindungen eingeschränkt bin, sicherlich Blödsinn ist. Aber natürlich gibt es so etwas wie ein gefühlsmäßiges Erleben. Und ich denke schon, daß man nicht sagen kann: Das stimmt nicht, daß Du weniger fühlst. Aber man kann solche Fragen ja miteinander besprechen oder ein anderes Kondom benutzen.

Zu dem schlechten Ruf trägt sicher auch bei, daß ich Kondome da angeboten kriege, wo es stinkt oder wo eine dunkle Ecke ist. Irgendso ein Automat in einem Hinterraum oder auf der Herrentoilette, dann muß man sich ja nicht wundern, wenn Männer damit komisch umgehen.

Auch viele Frauen lehnen Kondome ab.

Da haben sie ja viele gute Gründe für, die Verhütung selbst in die Hand zu nehmen. Das ist auch etwas, was ich persönlich nicht verstehe: Weil Mann-Sein in dieser Gesellschaft nach wie vor auch heißt: Das Sagen haben, die Macht haben, die Entscheidung haben. Ich frage mich, warum soviele Männer sich diese potentielle Macht, darüber zu bestimmen wann, wieviele und mit wem ich Kinder haben will, warum sie diese ganz zentrale Frage Frauen so einfach überlassen. Ich vermute, daß die Männer nicht so blöd sind. Sondern daß sie sich darauf verlassen können, daß sie — auch bei einer Schwangerschaft - trotzdem auf der Sonnenseite stehen bleiben.

Zum anderen denke ich, daß die Frage der Verhütung häufig benutzt wird in der Auseinandersetzung in der sexuellen Beziehung. Wenn ich als Frau bestimmte Verhütungsmethoden wie Diaphragma oder Themperaturmessen in der Hand habe, kann ich ein stückweit entscheiden, wann ich mit dem Mann schlafe und wann nicht. Ein weiterer guter Grund ist sicherlich für eine Frau zu sagen: Ich mache die Verhütung! weil sie dem Mann nicht traut und die letzte Kontrolle behalten will.

Es passiert aus unserer Erfahrung heraus sehr selten, daß Frauen sehr massiv darauf drängen: Wenn Du das nicht regelst mit Kondomen, dann schlafe ich nicht mit Dir. Ich glaube, weil Frauen instinktiv ihre Sexualpartner schützen wollen. Denn natürlich ist einer Frau nicht gedient, wenn sie als Sexualpartner einen Mann hat, der Erektionsstörungen hat — wenn sie wirklich Sexualität von ihm haben will. Dann wird sie es tunlichst vermeiden, daß ihr Mann unter diesen Störungen leidet. Es sei denn, sie will, daß er leidet, oder die Beziehung braucht das.

Natürlich muß man sehen, das Kondom bleibt ein Stück weit lästig. Ich finde es fragwürdig, wenn man von seiten der Hersteller so propagiert: Das könnte man so wahnsinnig aufregend in das Liebesspiel mit einbeziehen. Natürlich kann man das versuchen. Aber letztendlich bleibt es ja ein stückweit eine Notwendigkeit und ein Übel, wenn auch ein kleines. Gespräch: Barbara Debus

Pro Familia plant kurz vor Vatertag (Himmelfahrt) eine Info-Veranstaltung rund ums Kondom