Ehrenbürger Hinrichs - Eine Verhönung der überlebenden Opfer

■ Betr.: „Makabre Gesellschaft“, „Das August-Hinrichs-Syndrom“, „Mit Hinrichs“ (tazzen am 28.6., 9.11. und 8.12.1990)

Liebe Tazzen, Schlimmes soll fernerhin den überlebenden Opfern des Nationalsozialismus angetan werden:

Der Schriftsteller August Hinrichs, 1944 von den Nazis zum Oldenburger Ehrenbürger ernannt, soll — obwohl er mit einem beachtlichen Maß an Identifikation das verbrecherische NS-System gestützt hat — dennoch weiter verehrt werden. Das ist gleichbedeutend mit einer Verhöhnung der überlebenden Opfer des Faschismus.

Solche Verhöhnungen hat es zwar schon öfters gegeben, sie scheinen unausrottbar zu sein, — aber was sich da im Moment in Oldenburg abspielt, geht diesmal alle anständigen Menschen etwas an.

Der Kulturdezernent Ekkehard sprcht die groteske und phantastische Behauptung aus, „eine Streichung der Ehrenbürgerschaft des Nazi-Dichters August Hinrichs sei gleichbedeutend mit der Verdrängung des III. Reiches...“, und versucht mit diesem spitzfindigen Argument gar zu beweisen, daß die Ehrenbürgerschaft des Nazi-Dichters weiterexistieren muß, „weil wir alle keine Verdrängung wollen!“.

Begreiflich, daß über diese merkwürdige Ansicht des Herrn Kulturdezernenten der Stadt Oldenburg erhebliche Unruhe und Verunsicherung, nicht nur in sogenannten Gelehrtenkreisen, sondern vor allem bei dem „Mann auf der Straße“ entstanden ist, die sich langsam zum Befremden steigert.

Diese Oldenburger „August-Hinrichs-Groteske“ spielt unmittelbar vor der Ernennung Leo Trepps zum Oldenburger Ehrenbürger, und es ist höchst betrüblich konstatieren zu müssen, daß dieser wirklich brave Mensch ohne längeres Zögern auf diese conditio sine qua non eingewilligt hat.

Ich tue mich wirklich schwer, Leo Trepp zu verstehen, der ohne deutlich erkennbaren Protest die makabre Gesellschaft von einem Nazi-Dichter hinnehmen und einen so bitterschweren Gang gehen will.

Selbstverständlich akzeptiere ich seine Entscheidung, denn seine Geschichte ist eine jüdische Geschichte für sich.

Wolfgang Schroeder