Schwengelmanns Filialleiterin

■ Premiere im Schauspielhaus: „Top Girls“: Eloquente Besprechung einer Klemme

Es ist im Lande Bremen schon lang, vor purem Theaterhunger, zum Brüllen. Da ist es leider wieder verputzt wie nichts, so ein kleines englisches Biscuit-Stück zum Tee: „Top Girls“, geschrieben von der Erfolgsautorin Caryl Churchill, ist von einer bösen Frauenklemme die blitzblank-gescheite Besprechung.

Zur Vorführung gelangen allerlei Frauengestalten, die von den Folgekosten ihrer Karriere kaum mehr die Zinsen aufbringen; Top Girls sehen wir, wie sie nach ganz oben heruntergekommen sind. Ein wüstes Thema an sich, 100 Prozent Gewaltgehalt. Die Britin Churchill hat es unverdrossen zivilisiert und eine pro- und kontrapunktische Rede-Fuge daraus gemacht, mit offenem Moll-Akkord am Ende.

Anfangs in der Restaurantszene sitzen sechs historische Prototypinnen am Runden Tisch, als eine allegorische Versammlung von tausend Jahren Geschichte: vom Legendenpapst Johanna bis zu der Tollen Grete in Harnisch und Nagelschuhen, wie aus dem Bild von Breughel getreten.

Allesamt sind top-arriviert, aber bestenfalls in den peripheren Provinzen der Männerwelt, als kuschfertige Filial-Leiterinnen sozusagen vom Schwengelmann. Dieser ist in ihrem gewandten Plaudern aufs Lautstärkste abwesend, nämlich verinnerlicht. Ihre

Stellenagentur: Nell (Maria Scholz) und Marlene (Eva-Maria Hofmann) in „Top Girls“Foto: Jörg Landsberg

Gespräche sind charmanter Kleinkrieg untereinander und Wettreden durcheinander und taktisches Parlieren; und schwer geladen mit Konkurrenz: es knistert vor elektrostatischer Abstoßung.

In diesen Boden ist die Geschichte von Marlene und Joyce gepflanzt: Frau gibt, wegen Auf

hierhin bitte

die zwei Frauen

am Tisch

stiegs, ihre Tochter der Schwester und endet als Geschäftsführerin einer Stellenagentur für Frauen. Regisseur Wolfgang Hofmann hat sich darauf beschränkt, dem munteren Redefluß des Stücks ein bequemes Bett zu graben, und Momme Röhrbein hat aus Innenwänden ein zweckmäßiges Bühnenbild zusammengestellt. Das ist eine sehr höfliche Art, den sieben Schauspielerinnen das Stück, in Soli zerlegt, als Spielraum zu verehren.

Die Frauen des Bremer Ensembles samt der im letzten Augenblick eingesprungenen Eva Renzi (als Joyce) bringen viel Einzel- Leben hinein, teils machen sie auch schöne Szenen; es fehlt aber für das ganze Stück der zwingende Theatergrund und Zusam

menhalt: da es aus lauter gescheiter Konversation besteht, ist es reißfester Gesprächsstoff zum Weiterspinnen nachher, aber bedeutend mehr als gesagt wird, ist nie. Wer das Stück bloß liest oder im Radio hört, müßte nicht sehr traurig sein. Ob „Top Girls“ gar gegenüber den Massen der Fernsehspiele seine Theaterexistenz erklären kann, die auf dem Terrain des Fallbeispiels mittlerweile die herrschende Klasse darstellen, das dürfen wir dem Leben überlassen, welches bekanntlich die Spätkömmlinge nicht mag.

Den flachen Schlußapplaus vorgestern bei der Premiere im Schauspielhaus unterband vollends eine Schweigeminute wegen Krieg.

Manfred Dworschak