“Keine Zeit gehabt. — Akkord“

■ Denkpause beim Bremer Vulkan: Nur Minderheit machte früher Schluß

Freitag, 11.55 Uhr. Vor dem Haupttor der Werft „Bremer Vulkan“ in Vegesack: Business als usual. Wird der Pförtner wegen des Golfkrieges eine Arbeitspause für 15 Gedenkminuten einlegen? „Nein. Ich habe keine Anweisung. Wir arbeiten weiter“. Auf dem Flugblatt, das Betriebsräte verteilt hatten, war dazu aufgerufen worden, zwischen 11.55 und 12.10 Uhr am Arbeitsplatz Gedenkminuten einzulegen. Radikalere IG-Metaller hatten gar gefordert, um 11.55 Uhr das Werk ganz zu verlassen und nicht den Feierabend um 13.00 Uhr abzuwarten — frei nach der Parole: „Stell' Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“

Die KollegInnen, die dann tröpfelweise das Werkstor passierten, spalteten sich — in punkto Friedens-Gedenken — auf in drei recht unterschiedliche Gruppen: Da waren erstens die, die „von nichts wissen“: Eine Putzfrau: „Da hat uns keiner was von gesagt.“ Ein Schweißer: „Das ist nicht bis zu uns durchgedrungen.“ Zweitens kamen die aus dem Werkstor raus, die am Morgen extra früher angefangen haben und um 12.00 Uhr nur noch an eines denken konnten: an ihren „Feierabend“. Ein angetrunkener Kollege: „ Ich hab' jetzt Feierabend. Der Golfkrieg ist gut, da rumst's doch ordentlich.“ Ein Qualitätssicherer: „An das Gedenken habe ich in dem Moment nicht gedacht, aber es geht ja auch nicht an, daß einer ein Land überfällt und dann noch ankommt mit 'heiliger Krieg'...“ Drittens gab es auf dem Weg zwischen Haupttor und Auto noch eine kleine Minderheit von zwei, drei Kollegen, denen der Weltfriede so am Herzen lag, daß sie deswegen ihren Arbeitsplatz um 11.55 Uhr ganz verlassen hatten und dafür auch Lohneinbußen in Kauf nahmen. Manfred Warnke, IG-Metall Vertrauensmann: „Ich mach' keine fünfzehn Minuten, ich mach' eine Stunde. Meine Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Ich bin für den Frieden.“ Als er erfuhr, daß er bis dato der erste an diesem Morgen war, der das Werkstor aus diesem Grund verließ, sagt er: „Finde ich traurig, daß ich der erste bin, aber wir können ja niemanden zwingen."

Doch wieviele der weit über tausend Vulkan-Frühschicht-Leute hatten nun an ihrem Arbeitsplatz zum 15-minütigen Anti-Kriegs-Gedenken „alle Räder still“ stehen lassen, um dann wieder diszipliniert weiter zu arbeiten? Ein optimistischer Betriebsrat: „Ich war vorher in den Werkstätten, die Gedenkminuten sind eingehalten worden.“ Die Raumpflegerin Christel Krüger: „Wir haben zusammengesessen, wir haben Kaffee getrunken, wir hatten das Radio an. — Ich brauche keine Krieg.“ Ein 17jähriger Konstruktionsmechaniker-Lehrling, der „gegen den Krieg“ eingestellt ist: „Die Meister haben uns das gesagt. Alle zwanzig Lehrlinge haben mitgemacht — um freie Zeit zu haben.“

Ab 13 Uhr strömen die ArbeiterInnen und Angestellten zu Hunderten aus dem Haupttor. Das Wochenende hat angefangen. Für ReporterInnen-Fragen haben sie keine Zeit. Es gibt fast nur noch einsilbige Antworten: „Nein.“ — „Nein. Das haben wir verschwitzt.“ — „Den Quatsch machen wir doch nicht mit.“ — „Ne, keine Lust.“ — „Keine Zeit gehabt. Akkord“... B.D.