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Wenig Eifer beim Warnstreik gegen Golf-Krieg

■ Nur wenige MitarbeiterInnen der großen Bremer Rüstungsschmieden befolgten den DGB-Aufruf

15 Minuten Streik gab es gestern gegen 12 Uhr in vielen Bremer Betrieben, Schulen, Krankenhäusern, Banken und Kaufhäusern. Dazu hatte der DGB-Kreisvorstand aufgerufen. Geplant war eine „Denkpause“ als deutliches Zeichen gegen den Golfkrieg.

Fünf Minuten vor zwölf am Tor Eins des Mercedes-Werks hat sich eine Traube von Menschen versammelt. Hier im Südwerk arbeiten etwa 6.500 Menschen. Zum Protest gegen den Golfkrieg erscheinen jedoch nur knapp 150. „Viele meinen, das bringt doch sowieso nichts mehr“, erklärt Jochen Kammlert (Werkzeugmacher), „der Krieg hat ja schon angefangen. Andere finden, Hussein sollte mal eins drauf kriegen.“ Einige in seiner Halle hätten auch gesagt, sie seien zwar gegen den Krieg, wollten aber erst mal Mittag essen. „Der erste Schreck über den Kriegsausbruch ist anscheinend schon wieder vorbei. So schnell geht das“. Kammlert ist mit der Aktion nicht zufrieden. Für ihn müßte sie „viel weitreichender sein“, zum Beispiel ein Generalstreik. „Das fänd ich gut“, sagt er.

Günther Albert (Maschinenarbeiter) meint dagegen, auch 15 Minuten seien besser als gar nichts. „Die Zeit spielt keine Rolle, es ist nur wichtig, daß die Politiker merken, daß sich in der Bevölkerung was tut.“ Einen Generalstreik hält er für kein geeignetes Mittel.

Jörg Schierenberg (Autosattler) möchte vor allem dagegen protestieren, daß bei Mercedes Benz „militärische Sachen produziert werden“. Daß sich eine Mehrheit für größere Aktionen finden läßt, bezweifelt er aber: „Die meisten sind dagegen.“ Axel Brandt (Meßtechniker) würde dagegen am liebsten alle, die am Rüstungsgeschäft verdienen „einlochen“. „Ich bin nämlich Reservist“, erzählt er, „und vielleicht einer derjenigen, die noch an den Golf geschickt werden. Aber da mache ich nicht mit.“ Ob ein Generalstreik möglich wäre? — „Das Problem ist, daß der Krieg für die Kollegen viel zu weit weg ist.“ Von der Gewerkschaft erhofft sich Axel Brandt allerdings auch keine Mobilisierung: „Wenn sich führende Gewerkschafter parteipolitisch abhängig gemacht haben, wie wollen die noch frei agieren und einen Generalstreik ausrufen?“

Robert Alberts (Polsterer) würde am liebsten in einer anderen Firma arbeiten. „Ich finde das ganz schlimm, daß Daimler sich an dem Rüstungsgeschäft beteiligt.“ In Betriebsratssitzungen hätten sie öfter darüber gesprochen, daß die Firma Militärfahrzeuge herstellt. „Solange wir ein System haben, das nur darauf aus ist, Geld zu machen, und das dabei über Leichen geht, wird sich nichts ändern“, sagt er.

Gleichzeitig vor dem Werkstor der Deutschen Airbus Industrie (früher MBB): Rund 400 StudentInnen müssen erstmal warten, doch dann erscheinen von insgesamt 5.000 Airbus-Beschäftigten knapp 200, auf ihrem Transparent die Losung „Kein Blut für Öl“. Die Werksleitung von Airbus hatte einem Teil der Beschäftigten geraten, sich rechtzeitig aus dem Staube zu machen, weil eine gewalttätige StudentInnen- Demo anrücke, die den Betrieb stürmen wolle.

Obwohl die StudentInnen immer wieder rufen „Die Mauer muß weg“, bleiben die beiden Demonstrationsgruppen durch den Werkszaun getrennt. Der Sicherheitsdienst von Airbus will das Haupttor nicht öffnen.

Der Airbus-Betriebsratsvorsitzende Uwe Neuhaus fordert über Lautsprecher, „sofort Schluß zu machen mit dem Wahnsinn am Golf. Es kann keinen Grund geben, die ganze Welt dem Tod auszusetzen.“ Er fragt sich, ob die Beschäftigten in den letzten Jahren genug getan hätten, um die Umstellung von Rüstungs- auf zivile Produktion zu erreichen. „Darüber müssen wir mit den Kollegen und Kolleginnen diskutieren. Diese Aktion ist erst der Anfang.“ Uwe Neuhaus spricht sich dagegen aus, die Denkpause des DGB über eine halbe Stunde hinaus zu verlängern: „Es ist sinnvoller, in den Betrieb zu gehen und dort mit den KollegInnen zu diskutieren.“

Eine Sprecherin der StudentInnen stellt klar, daß die Aktion vor dem Werkstor nicht gegen die Beschäftigten gerichtet sei: „Wir demonstrieren gegen die Werksleitung und die Rüstungsproduktion. Wir fordern die Umstellung auf zivile Produktion, damit Eure Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ Betriebsrat und StudentInnen verabreden, sich am kommenden Montag zu einem Gespräch zu treffen.

Detlef Decho, der Vorsitzende des Vertrauensleutekörpers der IG Metall, ist skeptisch, ob es bei Fortdauer des Golfkrieges zu längerandauernden Aktionen der Beschäftigten kommt. „Wir fänden es natürlich gut, wenn Montag oder Dienstag nochmal eine Denkpause stattfinden würde.“

Ganz anders dagegen die Stimmung, als sich am Abend wieder über 2.000 BremerInnen auf dem Marktplatz treffen, um sich gegenseitig Bericht über ihre Aktionen zu erstatten. Zwar mochten auch dort die Redner aus den Betrieben (Jörg Fischer von Airbus und Fritz Bettelhäuser vom Vulkan) lieber nicht zuviel über die Streikbereitschaft ihrer KollegInnen versprechen, dafür berichtete der Chemiker Dieter Wöhrle von einem Hannoveraner Uni-Institut, das geschlossen in Streik getreten ist, bis der Krieg am Golf beendet wird. Und den lautesten Applaus bekam Wöhrle für seine Forderung: „Die Gewerkschaften müssen bundesweit zum Streik aufrufen! „ bz/och/Ase

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