: Leerer Stuhl und Abspann
■ Angesichts des Golfkrieges hat die ARD Probleme
Wer am Mittwoch abend, nach der ARD-Sendung Tagesthemen, den um diese Zeit fälligen Nachschlag des Frankfurter Kabarettisten Matthias Beltz erwartete, wurde enttäuscht. Denn nicht der scharfzüngige Kommentator des aktuellen Zeitgeschehens war da zu sehen, sondern lediglich die Kulisse. Gezeigt wurde der Stuhl, auf dem Beltz bisher zweimal seine Kommentare gesprochen hatte. Dann ging die Kamera langsam in die Dekoration und schon kam auch der Abspann.
„Dem Kabarettisten hat die aktuelle Entwicklung in der Golfkrise die Sprache verschlagen“, erklärte die Sendeleitung, des für diesen Satire- Spot zuständigen Hessischen Rundfunks.
Dem Kabarettisten hatte es keineswegs die Sprache verschlagen, vielmehr hatte er, in Anbetracht der aktuellen politischen Situation drei Fassungen seiner Satiresendung gedreht: eine normale Version, die die aktuelle politische Situation berücksichtigt, eine Kurzfassung, lediglich mit einem Horvarth-Zitat und diejenige, die schließlich gesendet wurde.
Der Programmdirektor hatte in Verbindung mit dem Unterhaltungschef den stummen Beitrag ausgewählt. Beltz hält die Auswahl keineswegs für Zensur, er ist aber nicht der Meinung, daß die Stimme der Satire verstummen sollte, wenn die Waffen sprechen. Die Entscheidung scheint typisch für das schwierige Verhältnis zu sein, das die ARD mit dieser Sendung hat. Denn nachdem der wortlose Beitrag geendet hatte, ging Fuchbergers Heut' abend problemlos über den Äther.
Das Beispiel wirft aber auch ein Licht auf die Praxis der Sendeverantwortlichen, die sich angesichts des Golfkrieges daran machen, das Programm ob seiner Verträglichkeit mit der Weltlage zu durchforsten. Schwer tut man sich mit Unterhaltungssendungen.
Aus der Programmdirektion in München war lediglich zu erfahren, daß es bei der Frage Absetzen ja oder nein, keine grundsätzlichen Richtlinien gibt. Bei der täglichen Schaltkonferenz um 14 Uhr, entscheiden die Chefredakteure der ARD-Anstalten von Fall zu Fall, welche Sendungen aus dem Programm genommen werden, ansonsten sind die Programmdirektoren verantwortlich.
Auch wenn Beltz sich nur wenig über die Auswahl geärgert hat, so ist für ihn doch eines klar, sollte diese Absage an das satirische Wort in der Konsequenz heißen, daß er bei seiner Sendung am nächsten Mittwoch ebenfalls Schweigen müßte, „dann wäre ein Kulturkrieg angesagt“. Denn schließlich: „Was ist obszöner, ein Witz, oder die Geilheit der Korrespondenten, mit dem sie aus dem Kriegsgebiet berichten?“ ks.
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