Rezepte aus der Kochstraße: RISOTTO

Große Lumpereien am Herd sind schnell zu entlarven. Wenn etwa der bestellte Risotto so geschwind aufgetragen wird wie die Suppe der Tischgenossen, so darf der Gast zweifelsohne in die Küche des Lokals vordringen, das Personal mit unflätigen Beschimpfungen überziehen, dem Chef mit der Bratengabel in die Nase stechen, Pizze zu fliegenden Untertassen machen, kurz: Alle Ausfälle sind rechtens. Weil die Ganoven sich versündigt haben an einer der großen Köstlichkeiten der italienischen Küche, die ihr Schattendasein nur dem Umstand schuldet, daß sie sich nicht garkochen und in der Mikrowelle aufwärmen läßt. Risotto ist frisch oder gar nicht! Lieferzeiten unter einer halben Stunde sind Betrug. Wer indes dieses einfache Gericht mit der notwendigen Sorgfalt zubereitet, bringt begnadete Fresser wie Paolo Monelli ins Schwelgen: „Wirklich, was ist im Grunde der Risotto alla milanese anderes als ein Berg von Gold, gekrönt mit dem Schnee aus geriebenem Käse. Und jeder von uns hat sich schon einmal gewünscht, ein winziger Alpinist zu sein, gegen den selbst Liliputaner Riesen wären, damit er diesen Berg ersteigen könne“ (Heyne 4100). Ecco! Nur Geduld braucht es und gute Zutaten, denn sobald der Alchemist dem Topf aufs Feuer gesetzt hat, gilt es, den Rat von Carlo Emilio Gadda zu beherzigen: „Rühren, rühren und nochmals rühren.“ Man muß nur das Urväterrisotto des Schriftstellers lesen (in: Die Wunder Italiens, Wagenbach), um zu begreifen, mit welcher feinen Besessenheit sich um guten Geschmack streiten läßt.

Der bekannteste Risotto — als Vorspeise oder Beilage — ist der alla milanese. Dabei wird Butter und Rindermark in einem Topf bei kleiner Hitze zerlassen, gehackte Zwiebel darin gedünstet ohne zu bräunen. In Muße rühren, denn: „Am wichtigsten ist, daß man sein Gemüt dem Ritual in Furcht der Götter zuwende“ (Gadda). Alsdann den italienischen Reis (Typ Vialone, bestenfalls Arborio!!) dazugeben, die Körner sollen glasig glänzen. Weißwein angießen und einziehen lassen. Nun so lange tassenweise Hühner- oder Fleischbrühe dazugeben, bis der Reis gar ist, was gut 20 Minuten dauern kann, denn diese Reiskörner sind dicker als andere. Zwischendurch Safran dazugeben. Wichtig ist am Ende, nachdem noch einmal ordentlich Butter und geriebener Parmesan untergerührt werden, die Konsistenz. „Der Risotto darf nicht verkocht sein, pfui Teufel, nein!, nur ein wenig feuchter als körnig soll er auf den Teller kommen: das Korn zwar durchtränkt und geschwellt von den obengenannten Säften, aber jedes Korn einzeln, nicht an seinen Genossen gepappt, nicht aufgeweicht zu Brei und Pamps, der niemandem gefiele“ (Gadda).

Für Genießer: Aus Italiens Küchen (Hallwag-Verlag) verzeichnet mehr als zwanzig Rezepturen für Risotto. Empfohlen von Thömmes