„Hunderte von Toten“ in Bagdad

■ US-Militär schweigt über zivile Opfer/ Irak spielt Schäden herunter/ Irakische Opposition: Westen „unmenschlich“

Berlin/London/Hannover (taz/afp/adn) — Glaubt man dem Pentagon, ist bei den Bombenangriffen auf Bagdad und Kuwait — derzeit 2.000 am Tag — noch kein einziger Zivilist ums Leben gekommen. In den amerikanischen Medien wird die Zielgenauigkeit der eingesetzten Waffen gerühmt: lasergesteuerte Bomben, die ihrem Ziel exakt entgegenfallen, „Tomahawk“-Raketen mit einer Zielgenauigkeit von 30 Metern. Es ist von Befehlen an Piloten die Rede, auf einen Bombenabwurf zu verzichten, falls kein exakter Treffer garantiert sei. Zudem seien die Einsatzpläne so angelegt, daß auch bei Fehltreffern Schulen und Krankenhäuser verschont blieben. Unter Überschriften wie „Lasergesteuerte Bombe traf genau Spitze des Luftwaffenhauptquartiers“ berichten Nachrichtenagenturen in Washington über Videoaufnahmen, die offenbar während des Einsatzes aus Militärmaschinen heraus gemacht wurden.

Doch gleich von Anfang an waren auch andere Töne zu spüren. Aus den Augenzeugenberichten des Fernsehsenders CNN war herauszuhören, daß es doch erhebliche Zerstörungen gegeben habe und daß die Ziele der Bombenangriffe zum Teil auch in dichtbesiedelten Stadtvierteln lagen. Kuwaitische Stellen berichteten stolz über „Hunderte“ von Toten. Irak selbst schwieg lange und veröffentlichte erst am späten Donnerstag eine Opferbilanz. Darin hieß es, 23 irakische Zivilisten seien getötet und 66 weitere verletzt worden.

Aus Bagdad berichtete der britische Sender BBC gestern mittag von „schweren Schäden“. Die Informationen der Journalisten würden „sehr stark zensiert“, sagte der Korrespondent in einem Telefonat. Nachdem er von den „schweren Schäden“ sprach, brach sein Bericht ab. Auch irakische Oppositionelle in London äußerten sich pessimistisch. Mowaffak Rubaie, Vertreter der „Dawa“-Partei, sprach gestern von „Hunderten ziviler Opfer“ und ging mit den USA scharf ins Gericht. Die irakische Opposition habe gehofft, daß „der Westen weiser und menschlicher sein würde als Saddam Hussein“. Doch was jetzt geschehe, sei die planmäßige „Zerstörung eines ganzen Landes“.

In der Konzeption der „Operation Wüstensturm“ sind Flächenbombardements durchaus vorgesehen. Wie aus Äußerungen des Pentagons hervorgeht, ist nach der Erringung vollständiger US-Lufthoheit über den Irak die gründliche Bombardierung der irakischen Truppenkonzentrationen in Kuwait geplant. Vor einem Einmarsch von Bodentruppen, so unabhängige Beobachter, müßte die gesamte militärische Infrastruktur des Iraks zerstört sein, um das erklärte Ziel der Vereinigten Staaten zu realisieren, eigene Verluste möglich gering zu halten.

Aziz Alkazaz, Wissenschaftler am Deutschen Orient-Institut in Hamburg, warf der westlichen Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang „Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der irakischen Zivilbevölkerung“ vor. Die mehrtägigen Bomberwellen müßten „verheerende Auswirkungen“ gehabt haben. Niemand, so Alkazaz, könne ihm weismachen, „daß es bei diesen massiven Luftangriffen nur um militärische Ziele ging“. In Deutschland mache man sich Sorgen um Fernwirkungen möglicher Umweltschäden, „doch die Lage der Leute, die im Kessel liegen, kommt nicht zum Tragen“. Da spiele „rassistisches Denken“ mit.