Schweineblutspur und Verkehrsblockade

■ Berlin: Demonstrationen und Aktionen der letzten Tage gegen den Golfkrieg/ Großes Polizeiaufgebot verhinderte Blockade des Flughafens Tempelhof/ Studenten der HdK zogen Schweineblutspur von irakischer Botschaft zum US-Headquarter

Breitscheidplatz — Flaut der Protest ab? Freitag abend sammelten sich nur noch wenige am Breitscheidplatz, um gegen 20.30 Uhr, die kleine Schar hatte sich auf 150 Personen erhöht, in Richtung Brandenburger Tor loszumarschieren. So war es zumindest angekündigt. Die Demo ging dann aber nur über Uhland- und Hardenbergstraße zurück zum Breitscheidplatz. Voran marschierte eine kleine Gruppe mit Mao- Fahnen, die übrigen Teilnehmer waren buntgemischt. Auf eine gemeinsame Parole konnten sich die Kriegsgegner nicht einigen.

Alexanderplatz — Mit Parolen wie »Generalstreik«, »Bettlaken raushängen« sowie »Bush und Hussein in den Boxring« beschworen gestern die meisten Redner auf dem Alexanderplatz etwa vierhundert Menschen, nicht zu resignieren, sondern ihren Protest gegen den Golfkrieg laut zu demonstrieren. An der Weltzeituhr lag ein Megaphon auf einer Blechtonne: Jeder konnte dort seine Meinung zum Golfkrieg loswerden. Eine Frau mit dem Schild »Mütter, versteckt Eure Söhne« machte den Anfang: »Frauen schreien, wenn sie ihre Kinder bekommen, sie schreien noch lauter, wenn sie sie verlieren.« Die Frauen sollten sich also, so die Folgerung, jetzt wehren und laut »nein« schreien. Uneingeschränkte Zustimmung erhielt eine Frau, die den DGB zum Generalstreik aufforderte: »Die Postler sollen nicht nur für mehr Geld streiken, sondern auch gegen den Krieg.« Ein Mitarbeiter des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung übte aber auch Selbstkritik: »Wo waren wir am 2. August, als der Irak in Kuwait einmarschierte, und was haben wir bis zum Ausbruch des Krieges gemacht?«

Man ließ jede und jeden ausreden. Eine Frau berichtete von zwei Freunden, die mit ihr am 8. August 1945 auf dem Alex gegen den Abwurf der Atombombe auf Nagasaki protestiert hätten. Jetzt seien diese zwei in dem internationalen Friedenscamp in der irakischen Wüste. Dann stieg eine Irakerin auf die Tonne: »Im Irak gibt es nicht erst seit dem 2.8. eine Diktatur. Die gab es schon lange vorher. Ihr habt es gesehen, bei dem Krieg gegen Iran und dem Giftgaseinsatz gegen die Kurden. Aber da ist keiner auf die Straße gegangen. Wir können jetzt nicht als Geiseln herhalten für einen Diktator, der so lange von Ost und West unterstützt wurde. Jetzt helft uns, tut etwas. Nehmt das Öl und laßt uns leben.«

Tempelhof — Mehrere hundert Menschen versuchten gestern mittag, den Haupteingang zum Flughafen Tempelhof zu blockieren. Polizisten verhinderten jedoch, daß die Kriegsgegner dorthin vorrücken konnten. So ließen sie sich für gut zwei Stunden auf dem Platz der Luftbrücke nieder. In zwei verschiedenen Demonstrationszügen waren die Blockierer zu dem Platz gekommen. Der Frauendemozug war unter dem Mottos »Männer — Krieg — Massenmord« und »Frauenkampf gegen die männliche Kriegsmaschinerie« am Nollendorfplatz gestartet. Die Stadtteildemo aus Kreuzberg hatte sich kurzfristig zur Antikriegsdemo umorganisiert und traf eine Stunde später unter großem Beifall und Gejohle auf dem Platz der Luftbrücke ein. Flaggen der BRD und der USA wurden verbrannt. Nachdem ersichtlich geworden war, daß bei dem Haupteingang des militärischen Flughafengeländes kein Durchkommen möglich war, zogen vor allem Demonstranten aus der autonomen Szene auf Umwegen in Richtung Innenstadt. Dabei skandierten sie hauptsächlich Parolen wie »Krieg dem Krieg«, »Krieg, Krieg, nie wieder Deutschland«. Auch die »Internationale« wurde gesungen. Zuletzt standen allerdings mehr Polizisten auf der Straße als Demonstranten.

Von Pankow bis Zehlendorf — Gestern vormittag hatten Studenten der Hochschule der Künste und Vertreter des Asta eine symbolische Blutspur von der ehemaligen irakischen Botschaft in Pankow quer durch die Stadt bis zum US-Headquarter in der Clayallee gezogen: Für die lange Wegstrecke wurden vier Fässer Schweineblut benötigt, die in der Nacht zuvor von einem Schlachthof geholt worden waren. Ein fünftes Faß wurde vor der Einfahrt des US-Headquarters ausgekippt. An der Aktion beteiligten sich rund dreihundert Personen. Wie schon in den Vortagen fanden auch gestern wieder zahlreiche Mahnwachen statt. Außerdem versuchten rund fünfzig Menschen, den Verkehr am Ernst-Reuter-Platz am Nachmittag kurzzeitig durch eine Blockade lahmzulegen. ana/lada/plu