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Die UNO wäscht ihre Hände in Unschuld

Vergeblich bemühen sich einige Mitglieder um Initiativen zur sofortigen Beendigung des „Zerstörungsfeldzugs gegen den Irak“  ■ Aus New York Andreas Zumach

Seit nunmehr vier Tagen tobt der Krieg am Golf. Geführt wird er im Namen der UNO und unter Berufung auf die Resolution ihres Sicherheitsrates. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, herrscht im Glaspalast am Hudson River, in dem diese Resolution am 29.November verabschiedet wurde, derzeit fast völlige Ruhe. So als habe man mit dem Geschehen am Golf überhaupt nichts zu tun. Kurz nach Beginn der Bomben- und Raketenangriffe am Golf kam der Sicherheitsrat zu einer kurzen Sitzung zusammen — und vertagte sich auf unabsehbare Zeit. Vergeblich appellierten der algerische Außenminister Ahmed Ghosali und das Präsidium des Obersten Sowjet inzwischen an das Gremium sowie an UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar, unverzüglich Initiativen zu ergreifen, um die militärische Konfrontation am Golf zu beenden. Ghosali wies de Cuellar darauf hin, daß der Angriff entgegen der vorab von den USA und ihren Verbündeten am Golf bekundeten Absicht, lediglich Kuwait zu befreien, zu einem Zerstörungsfeldzug gegen den Irak geworden sei. Er forderte die Vereinbarung eines Waffenstillstandes, um Verhandlungen zu ermöglichen.

Doch diese Aufforderungen stoßen ins Leere. Zwar kam Perez de Cuellar noch am Freitag mit den UNO-Botschaftern der fünf nordischen Staaten zu Überlegungen für die Zeit nach Ende des Krieges zusammen — unter anderem wurden Einzelheiten einer Entsendung von UNO-Beobachter- und/oder Friedenstruppen besprochen —, doch was für die Beendigung des Krieges jetzt getan werden kann, stand nicht zur Debatte. Mit dem UNO-Botschafter des Irak hat Perez de Cuellar schon seit vier Tagen keinen Kontakt mehr. Begründet wird diese Ohnmacht der UNO in der gegenwärtigen Situation mit dem rein formalen Argument, der Weltsicherheitsrat könne keine neuen Resolutionen oder auch nur Appelle verabschieden, bevor die Forderung der letzten zehn Resolutionen nach vollständigem Rückzug des Irak aus Kuwait nicht erfüllt sei. Deutlicher läßt sich das Dilemma nicht beschreiben, in das sich die UNO auf Druck der USA durch die Ultimatumsresolution vom 29.November hineinmanövriert hat. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte — von dem anders gelagerten Fall Korea einmal abgesehen — sieht sich die Weltorganisation nicht in der Lage, die ihr zukommende Rolle als Vermittler oder Befrieder in einem Krieg zu spielen, weil sie sich selber zur Kriegspartei hat machen lassen. Die Aufforderung, sich trotz dieses Dilemmas die Rolle des Vermittlers auch im aktuellen Golfkonflikt wieder anzueignen, wehrt der sehr resigniert wirkende Perez de Cuellar, der gestern 71 Jahre alt wurde, derzeit mit dem Satz ab: „Das ist jetzt nicht die Stunde der Diplomatie.“

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