„Mit allen Mitteln“ — Medien kämpfen im Golfkrieg mit

■ Otto Köhler kommentierte in der Radio-Bremen-Sendung 'zettbeh' die Kriegsberichterstattung / taz dokumentiert

„Das wäre eigentlich eine gute Gelegenheit, es zu wagen“, animierte am Vorabend um 21.56 Uhr ZDF-Korrespondent Klaus- Dieter Schulz-Vobach und fügte hinzu: „Es könnte durchaus krachen heute.“ Zuvor hatte Hans Benedict aus Bagdad verkündet: „Es gibt keinen Grund mehr, den Krieg nicht zu eröffnen.“ Nachts um 1 Uhr, als die USA den Krieg begonnen hatten, meldete ARD- Korrespondent Peter Staisch noch „journalistisches Chaos“ aus Washington, aber keine halbe Stunde später die Siegeszuversicht, die ihn fortan beseelte. „Es könnte ein Blitzkrieg werden“, freut er sich morgens um 10 Uhr aus den USA, und bis in die Nacht verläßt ihn das gute alte deutsche Wort vom 'Blitzkrieg' nicht. Die ganze irakische Luftwaffe sei „am Boden zerstört“. Und die Raketen nach Israel seien auch ausgeschaltet, meldet er noch wenige Stunden, bevor sie auf Israel niedergehen. Die Tagesschau spricht von einem „Ausbruch“ des Krieges: ein Natur-Ereignis — ansonsten wird das böse Wort Krieg nach Möglichkeit vermieden. Menschen, die gegen den „Krieg fürs Öl“ demonstrieren, erfahren im ZDF, sie hätten „ihrem Unmut über den Waffengang“ Ausdruck gegeben. Wer Frieden will, muß sich zur Rechenschaft ziehen lassen. ARD- Reporter Schawer herrscht den SPD-Abgeordneten General Manfred Opel an: „Ihr Parteivorsitzender hat gestern einen Abbruch der Kampfhandlungen gefordert — das kann doch wohl nicht sein Ernst sein!“ (...) Bundeswehr-Dozent Michael Wolfssohn, der sich am Nachmittag noch im Bayrischen Fernsehen über eine „übetriebene Friedfertigkeit“ der Deutschen empören wird, meinte zuvor im ARD-Mittagsmagazin, Kriege seien im Prinzip sicher etwas Abzulehnendes. Ganz falsch aber ist es, so meint er, die innenpolitische Diskussion mit dem Schlagwort „Blut fürs Öl“ zu führen. Kaum hat der Bundeswehr-Dozent ausgesprochen, drängt Moderatorin Hansi Fischer: „Und jetzt ist es höchste Zeit, zur Börse zu kommen.“ Gestern sei sie noch nervös und gelähmt gewesen, die Börse. Aber heute! Börsen-BerichtErstatter Michael Best jubelt: „Mit einem Kursfeuerwerk haben alle Börsen der westlichen Welt die Luftandgriff der Alliierten auf den Irak quittiert!“ (...) Für die Börse sei der Krieg bereits gewonnen. (...)

Aus Vietnam wissen wir, daß dort von den US-Angriffen stets nur militärische wahlweise strategische Ziele, nie aber Menschen getroffen wurden. Und so meldet auch in der ARD-Tagesschau Patrick Leclerqc vom Golf, daß bereits „ein erheblicher Teil der strategisch wichtigen Ziele vernichtet“ sei. Etwas später beklagt ein Bericht, daß Bagdad kein Wort verliere über die Auswirkungen der Luft-Offensive. Den ganzen Tag über, meldet Leclerqc später, seien Jagdmaschinen und Bomber unterwegs gewesen, um strategische Ziele in Kuwait und im Irak zu bombardieren. Da kann auch Moderatorin Christianssen einen Gedanken nicht abwehren: „Haben Sie Informationen darüber“, so fragt sie, „ob neben den strategisch wichtigen Zielen leider“ — sie sagt leider — „leider auch zivlile Gebiete in Mitleidenschaft gezogen wurden, das heißt größete Wohngebiete in und um Bagdad? Gibt es Spekulationen über die Zahl der Opfer?“ Dem Korrespondenten ist die Frage sichtlich unangenehm: „Also, da gibt es natürlich ganz spärliche Informationen.“ Es sei wohl so gewesen, daß die Bombardierungen in aller Regel „sehr präzise“ waren. Und zögernd: „In einem Fall habe ich gehört, daß wohl eine Wohnsiedlung auch getroffen sein soll. Wir haben gehört, daß 200 Irakis ums Leben gekommen sein sollen.“

Allein auf Bagdad fielen weit mehr Bomben als auf Dresden. Neben dem strategischen Ziel des Verteidigungsministeriums, dessen Zerstörung gemeldet wurde, liegt das Gefängnis, in dem die Opposition sitzt, und ein großes Krankenhaus. Zehntausende von Menschen müssen allein in Bagdad umgekommen sein. Aber die wahre Zahl der Opfer wird mit allen Mitteln unterdrückt. Das eine Wort, das alles erklärt hätte — Patrick Leclerqc fand es nicht: Militär-Zensur.