»Wieso hast du das nicht verhindert?«

■ LeserInnen der taz zum Krieg am Golf und zu ihrem Umgang mit der aufkommenden Angst

Berlin. Der überraschendste Anruf bei der gestrigen taz-Telefonaktion »Reden über den Krieg am Golf und über die eigenen Ängste« kam von einem 25jährigen Berufssoldaten der Bundeswehr. Gernot H.*, an diesem Wochenende zu Besuch in Berlin, bekennt, daß er auch »vom Krieg träumt, nicht nur vom Golfkrieg, sondern da mischt sich vieles.« Seine Träume seien manchmal ein »wirres Szenario von Wüstenszenen, Litauen und anderen Brennpunkten dieser Welt«. Persönlich fühle er sich nicht bedroht und glaube auch nicht, daß seine Einheit, er ist bei den Bodentruppen eines Jagdgeschwaders der Luftwaffe stationiert, im Golfkrieg zum Einsatz komme. Über seinen Beruf habe er »schon vorher lange nachgedacht« und »steht« zu seiner Entscheidung.

Barbara S. verspürt keine unmittelbare Angst vor dem weit entfernten Krieg. Doch was sie ihrem fünf Monate alten Sohn in zehn Jahren erzählen soll angesichts möglicher »Verwüstungen der Umwelt und der Atmosphäre«, wenn der sie fragen sollte: Wieso hast du das nicht verhindert?« bewegt sie. Sie fürchtet, daß sie dann ebenso sprachlos bleiben müsse »wie unsere Eltern, wenn wir sie gefragt haben: Wieso habt ihr Hitler und den Faschismus nicht verhindert?«

Wie andere AnruferInnen auch, beklagt der Student Bernhard A. das Gefühl von Hilflosigkeit angesichts der Ereignisse im Golf. »Ich habe mich wie paralysiert gefühlt, frustriert. Man weiß, daß man was machen muß und kann doch nichts effektiv unternehmen.« Aggressiver sei er geworden, bekennt Bernhard B., unduldsamer gegenüber seinen Mitmenschen.

Sabine K. zeigt sich erstaunt darüber, daß in ihrem Bekanntenkreis, meist 30jährige ohne Kinder, ohne erkennbare Irritation auf den Krieg im Golf reagiert und zur Tagesordnung übergegangen wird. »Erwachsene, die eigene Kinder haben, sind da sensibler«, meint sie und stellt die Frage, wie real »die Angst ist oder ob sie nicht auch von den Medien erst erzeugt wird?«

Joachim S., das ist sogar am Telefon noch zu spüren, ist auch nach vier Tagen realem und medialem Krieg noch erschüttert. An Demonstrationen nimmt er so oft wie möglich teil, doch mehr »fällt mir auch nicht ein«, bekennt er ratlos. Daß es in dieser »zivilisierten Gesellschaft so etwas Unzivilisiertes wie Krieg überhaupt noch geben kann«, hat ihn nachhaltig erschüttert. »Dieser Krieg«, bekräftigt er, »muß sofort beendet werden.«

*Namen von der Redaktion geändert. Am taz-Telefon: Michael Macpherson, Arzt und Lehrbeauftragter an der Freien Universität. Michael Macpherson hat sich besonders mit der Frage beschäftigt, wie Menschen mit globalen Krisen umgehen, unter welchem psychischen Streß sie stehen und wie sie ihn verarbeiten. Raul Gersson