US-Corps wird umzingelt

Rund 200.000 bundesweit unterwegs/ 10.000 Menschen demonstrierten wieder in Frankfurt/ Jüdische Gruppe kritisiert Friedensbewegung  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Rund 200.000 KriegsgegnerInnen demonstrierten auch an diesem Wochenende wieder in der Bundesrepublik — wenn auch die Bewegung insgesamt ein wenig abflaut. Nach und nach kamen zum Beispiel in Frankfurt am Samstag die Demonstrationszüge aus allen Stadtteilen auf den Opernplatz, bis dann wieder rund 10.000 Menschen versammelt waren. SchülerInnen, die in den letzten Tagen bemängelten, daß die „Erwachsenen“ nicht kämen, konnten diesmal jede Menge Bezugspersonen entdecken. Der hessische DGB-Vorsitzende Karl-Heinz Jungmann forderte noch einmal die Enteignung deutscher Waffenproduzenten, „auch wenn das Arbeitsplätze kostet“. Er sagte außerdem: „Kein Krieg ist heilig, wie der Irak meint, und kein Krieg ist gerecht, wie die USA meinen.“ An die Regierung Israels richtete er den Appell, nicht in den Krieg einzugreifen: „Ich nehme mir das heraus, belehrend zu sein.“ Die betroffenen Staaten müßten sich jetzt unter Aufsicht der UNO-Truppen zu einem „KSZE-ähnlichen Prozeß“ zusammenfinden. Außerdem warnte er vor „Provokateuren aus der BRD und den USA“, die versuchen könnten, bei den friedlichen Demonstrationen „Gewalt zu säen“.

Jungmanns Appell an Israel traf den Nerv einer kontroversen Diskussion am Rande der Demonstration. Mitglieder der Frankfurter Jüdischen Gruppe hatten die Friedensbewegung kritisiert, die kein Wort über die Raketenangriffe auf Tel Aviv verloren habe, sondern ihr Mitgefühl — zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen — ausschließlich auf die Menschen im Irak richte. Sie sei erschüttert, sagte eine Frau, die am Vorabend bei einer Mahnwache vor der irakischen Fluggesellschaft dabei war: „Alle meine Freunde wissen, daß meine Mutter in Israel lebt. Aber niemand hat mich angerufen, niemand hat gefragt, wie es mir geht!“ Mit Kopfschütteln würden auch einige Transparente quittiert. „Unsere Autos fahren mit Blut“ stand auf einem zu lesen. Mitten durch die Menge zog von Trommeln begleitet ein riesiges Gerippe mit einem Schild um den Hals: „Danke: MTG, Siemens, Immhausen!“

Für die Frankfurter StudentInnen forderte Jens Warburg Sanktionen gegen Rüstungskonzerne, die schließlich „mit Namen und Adresse“ bekannt seien. Er kündigte für Montag morgen die Blockade der Börse an. Ein Vertreter des Stadtschülerrates sagte, sie seien einerseits „wütend auf ihre Eltern und Lehrer“, die ihren Protest nicht verstünden, andererseits auf „die Medien, die uns in die Nähe von Chaoten rücken“. Für die Umweltschutzverbände betonte Edgar Bernhardt noch einmal die Solidarität mit der Friedensbewegung. Der Türke Ylmaz Karahassan und die Amerikanerin Ruth Turner wandten sich gegen ihre Regierungen. Turner zum Auftreten von Präsident Bush in der Öffentlichkeit: „Der Krieg ist keine antike Tragödie, die Politiker sind keine griechischen Helden. Sie sind mittelmäßige Versager.“ Sie stellte sich schützend vor zwei Demonstranten, die versucht hatten, auf dem Dach des Lautsprecherwagens eine türkische und eine amerikanische Flagge zu verbrennen: „Fahnen sind nicht heilig.“ Eine große Menschengruppe hatte erst ihren Unmut gegen die Aktion bekundet, dann aber das Einschreiten der Polizei verhindert. Im Anschluß an die Kundgebung zogen die DemonstrantInnen zum Gelände des 5. US-Corps, teilten sich dort und bildeten eine Menschenkette. Parallel dazu waren den ganzen Samstag über immer wieder Busse aus dem Bundesgebiet vor dem Haupttor der US-Airbase in Frankfurt aufgefahren. Mehrere tausend DemonstrantInnen blockierten stundenweise friedlich das Tor.

Demos bundesweit

Hamburg/Frankfurt (dap/ap/taz) — Ähnliche Protestaktionen wie in Frankfurt gab es in allen Teilen der Bundesrepublik. Allein in Baden- Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gingen über 150.000 Menschen gegen den Golfkrieg auf die Straße. Die Demonstrationen richteten sich gegen die US- Kriegspolitik sowie gegen die Angriffe Bagdads auf Israel und die Beteiligung deutscher Firmen an der Aufrüstung des Iraks. Auf Transparenten hieß es „Deutsche Waffenhändler an die Front“. In Niedersachsen beteiligten sich rund 65.000 Menschen in über 50 Orten an den Protestaktionen. In Nordrhein- Westfalen waren es rund 40.000, in Baden-Württemberg weit über 50.000. Die größte Kundgebung des Wochenendes mit 15.000 TeilnehmerInnen fand am Samstag in Stuttgart statt, am Sitz des US-Oberkommandos für Europa. In Bremen setzte die Polizei am Samstag Wasserwerfer gegen rund 2.000 DemonstrantInnen ein, die die Bahngleise blockieren wollten. An der Kundgebung gegen den Krieg hätten 7.000 Menschen teilgenommen. BRD-Politiker reagieren zunehmend gereizt auf den Druck und die antiamerikanische Stimmung in der Bevölkerung. Verteidigungsminister Stoltenberg (CDU) betonte, manche Kriegsgegner wollten nicht zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden. Finanzminister Waigel war bemüht zu betonen, Amerika kämpfe im Auftrag der UNO und warnte vor „falsch verstandenem Pazifismus“. In Bonn sollen Demonstrationen weiterhin vom Bundestag ferngehalten werden, betonte Bundestags-Vizepräsident Becker (SPD).