: Nachbarn in der Klemme des Golfkrieges
■ Für Syrien und Jordanien wird die Bündnistreue wegen der drohenden Vergeltung Israels immer schwieriger
Die vom Golfkrieg betroffenen arabischen Länder sind nach syrischer Auffasssung nicht zwangsläufig verpflichtet, einem arabischen „Bruderland“ im Falle eines israelischen Angriffs zu Hilfe zu eilen. Dies gelte insbesondere nicht für den Fall, daß Israel vom Irak bewußt provoziert werde und eine solche Provokation seinerseits mit einem Vergeltungsschlag beantworte. Dies wurde am Samstag in der syrischen Hauptstadt Damaskus erörtert.
In einer am Samstag über Rundfunk verbreiteten Erklärung hieß es außerdem, das irakische Vorgehen habe nichts mit einem Jihad, einem „Heiligen Krieg“ des Islams, zu tun. Der irakische Präsident Saddam Hussein führe sein Land in einen Krieg, der den Grundsätzen des Islams geradezu widerspreche. Die Moslems im In- und Ausland wurden in der Mitteilung vor den „kriminellen Zielen“ der irakischen Führung gewarnt.
Weiter hieß es, daß Saddams Versuche, seinen verheerenden Krieg mit islamischen Argumenten zu rechtfertigen, der „wahren Religion schadet“. Saddam habe durch sein zum Scheitern verurteiltes verbrecherisches Spiel sein Land, seine Armee und das irakische Volk in einen „höllischen und ungerechten“ Krieg geführt. Mit dem Aufruf zum Heiligen Krieg versuche Bagdad nun auch die übrigen Muslime in eine gefährliche Situation zu manövrieren.
Jordanien will aus der tödlichen Klemme des Golfkrieges heraus. König Hussein hat dies am Sonnabend mit seinem Aufruf zum sofortigen Waffenstillstand sehr deutlich demonstriert. In seiner geopolitischen Lage zwischen Israel und dem Irak steht das kleine Königreich am Abgrund einer Katastrophe, solange irakische Raketen seinen Luftraum überfliegen und die israelische Antwort offen ist. Mit dem jüdischen Staat gibt es indes seit langem die stillschweigende Übereinkunft, Ruhe an der Grenze beziehungsweise der Demarkationslinie zwischen West- und Ostufer des Jordan zu wahren. Sie hat sich bis jetzt auch als wirksam erwiesen, sieht man von einzelnen Attacken religiöser oder nationalistischer Fanatiker ab.
Die Regierung von Jizchak Schamir wiederum hat mehrfach seit Ausbruch der Golfkrise erkennen lassen, daß eine Schwächung Husseins nicht in ihrem Interesse liegt. Der Monarch — schon seit 38 Jahren auf dem Thron — gilt als Garant der Vernunft, selbst wenn ihm proirakische Sympathien vorgeworfen werden.
Seine Landsleute dagegen haben so eindeutig wie in kaum einem anderen arabischen Land Partei für Bagdad ergriffen. Das Parlament verurteilte den Luftschlag gegen den Irak als „barbarische Aggression“. Zum einen sind 60 Prozent der dreieinhalb Millionen Einwohner Palästinenser, die in der Mehrheit ihre Hoffnungen an Saddams Junktim zwischen Kuwait und Palästina geknüpft hatten. Zum anderen erlebt der islamische Fundamentalismus seit über einem Jahr einen spürbaren Aufschwung. dpa/adn/taz
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