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Grüner Abwärtstrend gestoppt

■ Trend zur Trendwende/ Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün/ Regierungswechsel in Hessen möglich/ SPD-Fraktionschef signalisiert Verhandlungen mit Grünen

Wiesbaden (taz) — Kurz vor 19 Uhr stabilisierten sich an den Monitoren im Landtag die Trendmeldungen und ersten Hochrechnungen.

Sowohl bei ZDF als auch bei ARD lag die sozial-ökologische Koalition knapp vor der noch amtierenden Regierungskoalition aus CDU und FDP. Und besonders für die Grünen zeichnete sich eine erfreuliche Entwicklung ab. Der Abwärtstrend der Partei, manifest geworden in dem katastrophalen Ergebnis bei den Bundestagswahlen, konnte gestoppt werden. Die Grünen pendelten zwischen acht und neun Prozent — „ein Erfolg und eine Trendwende“, wie Rupert von Plottnitz (alter und neuer Landtagsabgeordnerter der Partei) die Zwischenergebnisse für die Grünen kommentierte.

Durchgeatmet wurde bei den Grünen auch, weil die FDP — nach den Ergebnissen um 19 Uhr — kein Bündnispartner für die Sozialdemokraten sein wird. Die Liberalen schwankten um die 7 Prozent, die SPD wurde mit rund 40 Prozent gehandelt. Dennoch herrschte in der Lobby des Landtags eine angespannte Atmosphäre bei allen Parteienvertretern, denn die bei der letzten Hessenwahl gegen 20 Uhr überraschend einsetzende Wende vom Patt zum hauchdünnen Sieg der liberal- konservativen Koalition ist in Wiesbaden noch gut in Erinnerung.

SPD-Fraktionschef Ernst Welteke signalisierte schon Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen, denn „angesichts der Verhältnisse in Bonn“ könne er sich nicht vorstellen — auch wenn die FDP noch „klettern“ sollte —, mit den Freidemokraten zu einem tragbaren Verhandlungsergebnis kommen zu können. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Iris Blaul, weigerte sich noch, den sich abzeichnenden rot- grünen Wahlerfolg zu kommentieren, doch am Restaurationsstand in der Lobby orderte die geladene Basis schon Sekt.

Vor dem Landtag war hessische Bereitschaftspolizei aufmarschiert, um etwa einhundert FriedensdemonstrantInnen hinter der Bannmeile zu bannen. Wie sich der Krieg am Golf auf die Hessenwahl ausgewirkt hat, wurde von den Parteien unterschiedlich beurteilt. Heidi Wieczorek-Zeul jedenfalls empfand alleine die Fragen der Journalisten zum Zusammenhang Golfkrieg/Hessenwahl als „zynisch“. Sekunden vor Redaktionsschluß dann eine für Grüne und SPD noch erfreulichere Hochrechnung. Die Grünen gingen an die Neunprozentmarke heran — und die SPD scheint stärkste Fraktion im Landtag zu werden.

Der mögliche Sieg von SPD und Grünen, vor allem das gute Abschneiden der hessischen Grünen, ist natürlich auch ein innerparteiliches Signal für die Grünen. Trotzdem versuchte Christian Ströbele, diese Bedeutung des Wahlausgangs herunterzuspielen. In Hessen haben die Grünen ihr Ergebnis aber unzweifelhaft auch der realpolitischen Linie der Landespartei und der Popularität Joschka Fischers zu verdanken.

Immerhin ist Fischer — nach einer ZDF-Umfrage — in Hessen bekannter als Ministerpräsident Walter Wallmann. Über innerparteiliche Konsequenzen wollte von den Grünen an diesem Abend wegen der durch denGolfkrieges gedämpften Freude aber kein Parteimitglied reden. SPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs äußerte sich „höchst zufrieden“ über den sich abzeichnenden Wahlerfolg ihrer Partei in Hessen. Der „Wahlbetrug“ der Bonner Koalition bei der Bundestagswahl habe sich zugunsten der SPD in Hessen niedergeschlagen. Klaus-Peter Klingelschmitt

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