DIEMANNEGEDISKUTIERT

STRESS,KARRIERE,HERZINFARKT  ■  MÄNNER UND ARBEIT

Arbeit ist das halbe Leben, wenn nicht sogar für Männer noch viel mehr; seien es leitende Verwaltungsbeamte, Radio-100-Redakteure oder Kneipiers. Mit der Erfindung von Arbeitsessen oder Arbeitsbesuchen gelang es den Männern, selbst die angenehmen Seiten des Lebens mit dem Beruf zu verbinden. Frust und Aggressionen wiederum leiten sie automatisch in Arbeitswut um. Der Preis pro Karriereleiterstufe ist jedoch hoch: Um im marktwirtschaftlichen Konkurrenzkampf stets der Beste und möglichst unentbehrlich zu sein, vergessen Männer ihre Beziehungen und FreundInnen und obendrein sich selbst. Krankheit ist nicht selten die Folge; auch das Arbeitsklima hat schließlich selten mit Sonnenschein und eine Arbeitsgemeinschaft nicht oft mit gegenseitiger Unterstützung zu tun.

Über diesen katastrophalen Umgang von Männern mit Arbeit, aber auch um mögliche Veränderungen dreht sich heute Abend eine Diskussion im Berliner Männerzentrum Mannege, selbstverständlich unter Ausschluß von Frauen. Sechs bis zehn Interessierte sollen dabei u.a. für eine Gruppe gewonnen werden, die sich über einen längeren Zeitraum mit dem Thema und der eigenen Person beschäftigt. Die Mannege, vor drei Jahren ins Leben gerufen und finanziell von der Gesundheitsverwaltung und Spenden getragen, würde damit neben ihrem Beratungsangebot wieder eine themenzentrierte Gruppe bekommen, sowie die Theoriediskussion in der eingeschlafenen »Neuen Männer«-Szene beleben.

Einfache Antworten zum Thema gibt es nicht, wurden doch mehr als die genannten Symptome bislang kaum wahrgenommen. Patentrezepte für Veränderungen kann der Initiator der Veranstaltung, Christian Raschke, ebenfalls nicht präsentieren; aus seinen eigenen Erfahrungen und denen der Interessenten will er schöpfen. Raschke selbst stieg — weil er »nicht mehr abschalten konnte« — aus einem Vollzeitjob in einem selbstverwalteten Betrieb aus.

Tips wiederum, wie man Karriere und ein gesünderes Verhältnis zur Arbeit miteinander verbinden kann, mag sich zwar manch einer vom heutigen Abend erhoffen, individuelle Lösungen kommen aber nur bedingt in Frage. Ziel muß es für Raschke sein, sowohl am Arbeitsort das Verhältnis zur Arbeit zu thematisieren, als auch gesellschaftliche Strukturen zu erkennen, die solche Einstellungen verlangen. Beim männlichen Erfolgszwang mag zwar die soziale Schicht eine untergeordnete Rolle spielen, ungelernte Arbeiter, StudentInnen oder freie Honorar- Kräfte aber sind darauf angewiesen, sich mit Überarbeit die Butter aufs Brot zu verdienen.

Wie weit dann der Weg zu möglichen Veränderungen ist, belegen am besten die für die Geschlechterfrage sensibilisierten Veranstalter selbst. Doch von zwei vorgesehenen Referenten sagte einer ab, da nämlich schnell mal ein anderer Termin eingeschoben werden mußte. Micha Schulze

20UHR,UHLANDSTR.161,1-15