Orientalsiche Tribüne

■ "Schluß mit dem ewigen Klischee": Interview mit dem Bremer Palästinenser Hassan El Hassan, Teil 2

Hassan El Hassan ist Palästinenser und lebt seit 1979 in Bremen. Am Montag erschien der 1. Teil des Interviews, hier der 2. Teil:

taz: Hat der islamische Fundamentalismus jetzt Zulauf?

Hier werden immer die Demonstrationen mit islamischen Fundamentalisten in Zusammenhang gebracht. Das ist ein große Fehler. Fanatiker gibt es überall. Aber das sind nicht die Vorreiter der Araber. Islam und Araber ist nicht dasselbe. Es gibt christliche Araber, es gibt andere Sekten und Religionen. Hier wirft man alles in einen Topf: Araber gleich Islam gleich Fanatismus. Das ist nicht wahr.

Ist den meisten Arabern nicht die Waffe in der Hand näher als die Demokratie?

Nein, ich als palästinensischer Araber würde alle Waffen ins Meer werfen. Wer den Frieden sucht, braucht keine Raketen und ABC-Waffen.

Islam gegen Industrie-Länder, gegen die Entwicklung; die Industrieländer sind die zivilisierte Welt, und der Orient ist die Barbarei: Das ist das Klischee. Mit dem gleichen Klischee sind die Kreuzritter marschiert, Alexander der Große. Die Europäer und Amerikaner sollten dieses Klischee abschaffen. Europa ist sehr dankbar für das, was aus dem Orient kam, Nicht nur die Tausend-und-eine-Nacht-Geschichten, sondern auch die Astronomie, die Architektur, Wissenschaft, Medizin, Algebra.

Welchen Weg gäbe es zum Frieden?

Die Araber haben gesehen, wie die Welt Jahrzehnte unfähig war, den Palästina-Konflikt zu lösen. Die Lösung hieße Selbstbestimmungsrecht aller Völker im Nahen Osten, man sollte eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten einberufen. Später könnte man in einer Konferenz für Sicherheit und Zuzsammenarbeit für den Nahen Osten auch andere Probleme lösen. Die Türkei hat historische Ansprüche an Syrien und den Irak, Irak-Iran, Irak an Kuwait und Saudi-Arabien, Irak-Jordanien, Jordanien-Syrien, Syrien-Jordanien, Syrien-Libanon, Libyen-Tschad, Libyen-Tunesien, Ägypten-Libyen, Marokko-Sahara, Marokko-Algerien.

Weil alle diese Grenzen künstliche Kolonialgrenzen sind, gibt es überall Grenzkonflikte. Ohne deren Beseitigung gibt es keinen Frieden im Nahen Osten. Wenn man diese Probleme beseitigt, dann bleiben die Probleme anderer Minderheiten, das Kurdenproblem. In der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien leben Kurden, und dieses Problem muß gelöst werden. Und wenn alle diese Probleme gelöst sind, dann muß noch eine Sache durchgeführt werden: die Demokratie.

Erst hinterher?

Man kann nicht Jahrzehnte warten, bis Demnokratie eingeführt ist, bis es klappt. Man sollte erst einmal Sicherheit schaffen und dann Demokratie.

Selbstbestimmung heißt doch, daß die Leute selbst bestimmen, zu welchem Staat sie gehören wollen. Zum Beispiel die Kurden.

Selbstbstimmungsrecht heißt nicht automatisch Demokratie. Das ist kein Automatismus. Wenn ich mich in den Ländern des Nahen Ostens frei bewegen will, brauche ich einen deutschen oder amerikanischen Paß. Mit einem arabischen oder türkischen Paß kann ich mich nicht frei bewegen. Diese Einschränkung der Freiheit der Menschen führt zu Frustrationen, zu aggressiven Reaktionen.

Fragen: Klaus Wolschner

Die Gespräche mit BremerInnen aus der Region des Golf-Krieges werden fortgesetzt.