Kohl gibt sich als gelassener Verlierer

■ Angesichts der künftigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat dürfte das Regieren in Bonn schwerer werden

Es hängt wohl nicht nur am Golfkrieg, daß das Ergebnis der hessischen Landtagswahlen auch Bonner Parteifunktionäre nur wenig umzutreiben scheint. Die Zahlen, die sich am Sonntag abend gegen 19 Uhr auf den Bildschirmen stabilisierten, lagen ganz nah an denen dran, die man in den Spitzen von CDU, und SPD erwartet hatte. Und so wurde über sie während der Sitzungen der Parteigremien gestern kaum gestritten, auch recht wenig diskutiert. „Der Verlust von Hessen geht dem Helmut Kohl kaum an die Nerven. Dann schon eher die Friedensbewegung mit ihrem Antiamerikanismus“, erzählte einer aus dem Treffen der CDU-Vorständler.

Gelassen, fast gleichgültig erläuterte der Parteivorsitzende auch wenig später vor der Bonner Presse das Wahlergebnis. Zwar sprach er von einer „Niederlage“, doch sei Hessen noch nie genuin ein CDU-Land gewesen. Eine Rolle hätten bei dem schlechten Wahlergebnis die Stimmungen wegen des Golfkrieges gespielt. Auch die geringe Wahlbeteiligung habe sich nachteilig für seine Partei ausgewirkt. In der Tat kann die Union mit ihren 40,2 Prozent zufrieden sein. Sie war eher schwach ins hessische Rennen gegangen: Das Ergebnis der Bundestagswahl war für die CDU nicht so, daß es ihr am Sonntag in Hessen den Rücken besonders hätte stärken können. Der Krieg am Golf hatte der SPD kurzfristig höhere Sympathiewerte beschert. Mit Gottfried Milde und Lothar Späth waren kurz hintereinander zwei profilierte Unionschristen unter peinlichen Umständen gestürzt. Und schließlich hatte die CDU in den gerade zurückliegenden Bonner Koalitionsverhandlungen ein sehr schwaches Bild abgegeben.

„Es gibt kleine Veränderungen bei der Stimmenverteilung — mit aber möglicherweise großen Auswirkungen“, so formulierte am Wahlabend CDU-Generalsekretär Volker Rühe, weshalb sich wegen Hessen nicht so sehr seine Partei, wohl aber die Regierung seines Herrn sorgen muß: Da SPD und Grüne gemeinsam gewonnen haben, ist die Mehrheit der Bonner Regierungsparteien im Bundesrat nicht mehr sicher. „Ich sehe das nicht so“, beschied Helmut Kohl zwar gestern schnippisch den Bonner JournalistInnen. Tatsächlich jedoch wird ihm das Regieren zukünftig schwerer fallen. Bisher liegen die Unionsländer im Bundesrat mit 35 zu 33 Stimmen vorn. Zukünftig werden CDU und FDP nur noch 31 von 68 Stimmen in der Länderkammer haben. Zwar kriegt das unionsgeführte Lager mit dem schwarz-roten Berlin demnächst nochmal vier Stimmen dazu, die formal für eine Mehrheit reichen. Darauf kann sich der Kanzler jedoch nicht besonders freuen: Die vier Berliner Stimmen werden nur „im Block“ zum Tragen kommen. Können sich CDU und SPD in Berlin nicht einigen, enthält sich dieses Land bei Abstimmungen im Bundesrat. Allerdings: Auch die SPD hat in der Länderkammer nicht die Mehrheit. Weil sie in etwa in Brandenburg oder in Hamburg mit der FDP koaliert, wird sie sich in Streitfragen zuweilen ebenfalls enthalten müssen. So ist nur eines sicher: Kohl wird künftig mehr Kraft darauf verschwenden müssen, sich mit der SPD-Opposition zusammenzuraufen.

Einen allzu selbstbewußten Gegner hat der Kanzler in den Sozialdemokraten allerdings auch nach deren Wahlsieg in Hessen nicht. Zwar freute man sich gestern während der Parteisitzungen über das „ordentliche“ Ergebnis. Daß es eher zufällig ist, daß die CDU trotz schlechter Bedingungen recht gut abschnitt, registrierte man allerdings genau. Der SPD-Parteivorstand hat das Ergebnis als „ermutigenden Erfolg“ gewertet. SPD-Chef Vogel wertete die Stimmenverluste von CDU und FDP als „Antwort auf den zynischen Umgang mit Wahlversprechen“.

Auch vor einem zukünftig souveräneren Koalitionspartner FDP muß sich Helmut Kohl nicht fürchten. „Enttäuscht“ äußerte sich FDP-Chef Lambsdorff über die 7,4 Prozent seiner Partei und war flugs mit Schuldzuweisungen zur Hand: Bonner „Gegenwind“ nach den Koalitionsverhandlungen, „schwieriges Umfeld“ der Landtagswahlen sowie der „alles überragende“ Golfkrieg. Ferdos Forudastan, Bonn