Gesucht: Frdl. engag. Sparbuchhalter

■ Wie man Intendanten findet: Staatsrat Andreas Fuchs, Aufsichtsrats-Chef der Bremer Theater-GmbH, im Gespräch

taz: Das Bremer Theater muß über 30 Millionen Mark Umbaukosten abstottern. Will da, im Schatten des Schuldturms, überhaupt jemand Intendant werden?

Dr. Andreas Fuchs: Sie werden überrascht sein. Bei meinen Gesprächen stelle ich immer wieder fest, welch guten Ruf das Bremer Theater hat.

Und wer hat sich jetzt beworben?

Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich Ihnen noch keine Namen nennen möchte. Die Frist ist gerade abgelaufen. Bis jetzt haben wir 35 schriftliche Bewerbungen bekommen.

Ist drunter auch anerkannte erste Sahne oder bloß zweite?

Also von den Anerkannten ...würd' ich sagen: höchstens ein bis zwei.

Hm.

Aber das war klar, das hat man mir vorher gesagt. Die erste Garde bewirbt sich nicht, die möchte berufen sein. Da führe ich Gespräche.

Und die Bewerber? Sind das eher junge?

Zum Teil. Auch Intendanten von kleineren Bühnen. Auch Ältere.

Keine Frauen?

Eine.

Wieviele hatten denn noch nie im Leben eine Intendanz?

Fünfzig Prozent.

Da bleiben ja kaum welche übrig.

Nun ja, erwägenswert sind vielleicht fünf.

Und wer hat am allerwenigsten Chancen?

Also einer hat bisher nur als Schriftsteller gearbeitet. Der glaubt, weil er auch mal ein Theaterstück geschrieben hat, sei er qualifiziert, ein Theater zu leiten.

Hat sich Kresnik beworben?

hierhin bitte

den lächelnden

Herrn mit Brille

an seinem

Schreibtisch

Dr. Andreas Fuchs, sonst Leiter der SenatskanzleiFoto: J. O.

Nein. Das ginge, sagt er, zu Lasten seiner Ballettarbeit. Ich suche aber in enger Abstimmung mit ihm.

Sie sitzen ja auch einer Findungskommission vor. Wer ist da noch drin?

Nur Mitglieder des Aufsichtsrats.

Damit nicht vorzeitig etwas nach außen dringt. Mein Kollege Prof. Hoffmann vom BiWiKu-Ressort ist noch dabei, Herr Weber vom Theater-Freundeskreis. Und von der Arbeitnehmerseite ist es der Herr Reich, Betriebsratsvorsitzender, und der Herr Kösters.

Nicht eben Theaterfachleute.

Das ist korrekt, ja.

Haben Sie da nicht ein bißchen viel Einfluß?

Ich würde sagen, daß das zu meiner Aufgabe gehört, Einfluß zu haben. Aber ich weiß auch, was ich nicht kann. Ich lasse mich von vielen Leuten beraten.

Von wem?

Von Arno Wüstenhöfer (gewesener bremischer Intendant; MD), Hans Kresnik, August Everding, von Ruth Berghaus, von Jürgen Flimm, um nur einige zu nennen.

Was empfehlen die? Einen Sparbuchhalter?

Die empfehlen mir, auf die neuen Möglichkeiten zu setzen, daß also der Neue alle Spitzenpositionen selber besetzen kann. So minimieren wir vielleicht die Reibungsverluste, die ja früher oft die künstlerische Arbeit behindert haben. Ich will auch nicht verhehlen, daß ich schon einen gefunden habe, der mir sehr gut gefällt. Und was das Geld betrifft: Frau Berghaus etwa sagt mir, wenn wir die Chance nutzen und uns eine gute Crew holen, spielt das Geld nicht die Rolle. Das halten alle für, ich sag mal vorsichtig: zweitrangig.

Kurt Hübner, der vergraulte Intendant der Goldenen Bremer Ära, lebt in München und will, sagt er, von Bremen nichts mehr wissen. Haben Sie ihn zu Rate gezogen?

Bisher noch nicht, nein.

Und Ex-Kultursenator Franke?

Den ja. Der wünscht mir viel Glück (lacht).

Gibt es schon Bewerber für die übrigen freien Stellen?

Ja, obwohl wir die noch nicht ausgeschrieben haben. Aber wer Schauspiel-, wer Opernleiter, wer Technischer und auch wer neuer Verwaltungsdirektor wird, das wird dann die Sache des neuen Intendanten sein.

Neulich haben sich mehr als hundert Theaterleute in einem Brief hinter ihren alten Verwaltunsdirektor Dünnwald gestellt. War das nicht ein bißchen hart, daß Sie ihm gekündigt haben?

Da müssen wir jetzt sortieren. Erstens waren das gar nicht lauter ständige Mitarbeiter, da haben auch alle Statisten unterschrieben. Von den 460 festen Theaterleuten waren das vielleicht 60 oder 70. Das ist auch schon ein Signal. Zweitens nehme ich das durchaus ernst. Es ist ein Risiko, so viel gleichzeitig auszuwechseln. Es wäre aber auch ein Risiko, einen Neuanfang mit jemand zu wagen, der dann nach 33 Dienstjahren die zwei letzten vor sich hat. Ich will Ihnen auch ehrlich sagen, daß ich mit Kandidaten spreche, die sagen: ach, wie gut. Wenn der Dünnwald noch da wäre, wäre ich nicht gekommen. Das hat mit der hervorragenden Leistung von Herrn Dünnwald in der Vergangenheit nichts zu tun. Ich bedauere, daß er das persönlich genommen hat.

Was ist denn Ihr persönliches Vergnügen bei dieser Findungsarbeit? Oder verüben Sie bloß Ihre Pflicht?

Nein, weiß Gott nicht, mich interessiert kulturelle Politik. (Schneller:)Ich habe früher selbst gesungen, im Thomaner-Chor und hätte fast Musik studiert, hätten kluge Leute mir nicht abgeraten. Aber meine Neigung gilt (deutet rings auf die Bilder in seinem Amtszimmer) der bildenden Kunst, wie sie sehen können undsoweiter... Und ich möchte, daß es hier wieder knistert am Theater.

Und das Aussuchen-Dürfen?

Naja, es ist, für einen, der sonst was andres macht, schon spannend. Aber am meisten freut mich, wie viele Leute in Deutschland daran interessiert sind, daß es mir, Quatsch, daß es Bremen gelingt, da was hinzustellen.

Wie geht's jetzt weiter?

Am 4. März trifft sich der Aufsichtsrat. Bis dahin haben wir hoffentlich die Kandidaten für die Vorstellung ausgewählt. Übernächste Woche werde ich die Findungskommission einladen zu einer ersten Sitzung.

Das heißt, wir erfahren von den Tatsachen, wenn sie vollendet sind?

Das finde ich auch richtig so. Wir lassen uns von möglichst viel Sachverstand beraten, aber wir laden nicht in die Stadthalle ein und hören dann vox populi. Das ist was anderes.

Man muß ja keinen Akklamations-Zirkus machen. Aber eine enge Auswahl von zwei, drei Personen, sagen wir: den interessierten Kreisen und vor allem dem Theater zur Diskussion vorstellen, wäre das nichts?

Nein. Die Verantwortung trägt nicht die Öffentlichkeit, sondern der Aufsichtsrat. Interview: Manfred Dworschak