Kraftwerk-Ästhetik

■ Bremer BDA-Architekturpreis: Zu loben nur Zweckbauten / Ausstellung im Rathaus

Die Bauwirtschaft boomt, das ist ein Anlaß zur Sorge: Zeiten der Hochkonjunktur hinterließen städtebaulich (von Kriegen abgesehen) die größten Probleme. Und wenn es sich nicht bei Neubauten um extrem avantgardistische Zumutungen handelt, wird das Geschäft der Architektur weitgehend abseits des öffentlichen Interesses betrieben. Das zu ändern, tritt der Bund deutscher Architekten (BDA) an, dessen Bremer Filiale 1990 wieder (zum 5.Mal seit 1974) den Bremer BDA-Preis vergab. „Bedeutendste architektonische Leistung“ der letzten fünf Jahre im Land Bremen ist laut Juryurteil der Block 15 des Hastedter Heizkraftwerks. Sämtliche anderen gepriesenen Bauwerke sind ebenfalls „Zweckbauten“. In der unteren Rathaushalle sind derzeit alle eingereichten Arbeiten anhand von Bauplänen, Fotos und Begleittexten zu begutachten.

„Ein Stück Heiterkeit“ gehe

Gepriesen: Hauptfuhrpark des Amtes für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft. Wo die Müllautos geputzt werden.Foto: Katalog

vom Block 15 des Heizkraftwerkes aus, er habe „an keinem Ort etwas Bedrückendes“, erkennt die Jury, bestehend aus Ingeborg Flagge (Chefredakteurin „Der Architekt“), Karljoseph Schattner (Architekt, Architekturprofessur in Zürich) und Gerhard Spangenberg (Architekt, Präsidium BDA). Das Kraftwerk solle den zu erwartenden neuen Gerwerbebetrieben ein Vorbild sein. (Architekten: Schomers, Schürmann und Stridde, Bremen.)

Den Bremer BDA-Preis erhält auch das neue Parkhochhaus am Hillmannplatz, ein gigantischer Backsteinklotz, der durch sein Fassadenmaterial mit dem Marriott Hotel korrespondiert. Bemerkenswert seien hier „die raffinierte Gestaltung der Fassade mit durchbrochenem und geschlossenem Ziegelmauerwerk“ und eine als „graphische Linie“ die Fassade aufbrechende Freitreppe (Architekten: von Gerkan, Marg u.Partner, Hamburg).

Die Bremer Müllwagen und Güllepumper werden bei der Müllverbrennungsanlage geputzt und gewartet. Dort befindet sich der Fuhrpark des Amtes für Stadt

hier die lange

Fluchtfassade

reinigung und Abfallwirtschaft, und an diesem unwirtlichen Ort wurde 1989 ein neuer Betriebshof eingeweiht: eine schlichte Halle mit einer seilverspannten Dach

das kopfstein

pflaster

Anerkannt: Platzgestaltung Domsheide. „Vereinheitlichung zu Pflasterseen“ oder „Mittelalterliche Anmutung“? Foto: Katalog

konstruktion (Großmann, Brandi, Burg, Göttingen).

„Anerkennung“ durch die Jury fand neben mehreren Baumaßnahmen im Dunstkreis der Uni (u.a. der Fallturm) auch ein (!) Privathaus: das Haus Bleicherstraße 52 (Gert Schulze u. Partner, Bremen). In exklusiver Wohnlage hinter dem Theater schließt das Gebäude eine alte Baulücke. Gut gelöst sei der Übergang zu den unterschiedlich hohen Nachbarn und die prägnante Fassadengestaltung mit Erkern in Stahlkonstruktion und einem durchlaufenden Holzfensterband. Anerkannt wurde auch die Umgestaltung der Domsheide (Marlene Zlonicky-Krawietz), die sich mitten zwischen den dräuenden Gefahren der üblichen „Übermöblierung des öffentlichen Raums“ und der „Vereinheitlichung zu Pflasterseen“ einen Weg gebahnt habe: Entstanden sei ein Raum, „der auch mit Anstand leer sein kann“.

Nicht gelobt wurden z.B. das Bremer Carree, die Angestelltenkammer in der Bürgerstraße, das neue Vordach am Parkhotel, das Marriott Hotel am Hillmannplatz, das Postamt 5, die Lloyd- Passage, „Flamme“ im Ostertor, die Cafeteria im Wiechernhaus am Dobben, das Up'n Swutsch- Studio an der Stadthalle und der Umbau des Ratskellers.

Resümierend wundert sich die Jury: daß der Wohnungsbau so wenig gute Beispiele zeigt; daß es in Bremen keine qualifizierte Auseinandersetzung mit der historischen Bausubstanz gebe; daß in Bremen so wenig mit Baumaterialien neben dem traditionellen Ziegel experimentiert werde; und daß die höchste ästhetische Qualität ausgerechnet einem Kraftwerk zuzusprechen sei.

Burkhard Straßmann

Zur Ausstellung erschien ein besonders schöner und instruktiver Katalog (Prof. Eckhard Jung und StudentInnen der Hochschule für Künste) für vernachlässigbare 10 DM.

Gepriesen: Heizkraftwerk Block 15, Hastedt. „An keinen Ort etwas Bedrückendes“Foto: Katalog