Späße und Ernste im Ersatzkasten

Zeitverschobene rätselhafte Fragen, Antworten, Transparente und Programmänderungen vom Wochenende, die den Berliner quälten: Wer sich zum Beispiel nach den samstäglichen Demos auf ein warmes Zuhause mit »Wetten, daß ...« im Kasten gefreut hatte, den erwischten auf eben diesem Sendeplatz eiskalt Dieter Thomas Heck und seine »Melodie für Millionen«.

Warum er »Wetten, daß ...« ausfallen lassen mußte, begründete unser Lieblings-Thomas in der 'Bild‘. »Der politische Mensch Gottschalk und der Fernsehunterhalter waren zwei Personen«, gesteht er auf der Titelseite. Vor kurzem sei er »unsanft wachgerüttelt« worden. Leider verschweigt er, welcher der beiden Thomasse es war, der sich auf der letzten Seite die hinreißende Frage stellte: »Kann man mit Hella von Sinnen ... über nackte Männer albern, wenn junge Männer ums nackte Überleben kämpfen?« Nicht nur das seltsame »wenn« anstelle eines »während« läßt vermuten: Dies fragt sich der politische Mensch, der wahre Gottschalk wäre nämlich bei einer solchen Metaphernkreuzung fast irre geworden vor Schöpferstolz. Der Neue versteht allerdings keinen Spaß und ist noch »der Meinung, daß es Zeiten gibt, wo die Narren schweigen müssen«, während der Nachrichtensender CNN weiterhin Reklame für die treffischeren amerikanischen Raketen machen darf, möchte man da hinzufügen dürfen. Jedenfalls gibt es Zeiten, in denen (unserethalben auch »wo«) man den Gottschalken nur empfehlen kann, entweder mit gutem Beispiel voranzugehen oder mal kräftig auszuschlafen. Hella von Sinnen, der Gottschalk in 'Bild‘ seinen Respekt dafür ausspricht, daß sie von sich aus ihren Auftritt bei ihm abgesagt hatte, ließ sich übrigens keineswegs lumpen, in ihrer eigenen Tortshow »Alles Nichts Oder?« zwei Stunden später auf RTLplus quietschfidel als zahnlose Wikingerin zu posieren. Über Paulchen Kuhns Witz vom schottischen Schloßherrn, der in seiner Butze noch kein Gespenst je zu Gesicht bekommen hat, obwohl er schon über vierhundert Jahre darin wohnt, konnte sie sich kaum einkriegen.

Ein Lob für unübertroffene Schlagfertigkeit verdient Klaus Bresser. Der antwortete in der Sendung »Wir stellen uns« (ZDF) live aus der taz am Samstag auf die Frage einer Behinderten, wann endlich die Nachrichten auch vom Rollstuhl aus gesprochen werden können: »Wir stellen ja auch keine Stotterer ein.« Womit er wohl sagen wollte, daß bei ihm das Sprachzentrum seinen Sitz am unteren Ende der Wirbelsäule hat und nicht unter der akkurat gescheitelten Silberhaardecke.

Wo immer Menschen sich versammeln, tut Helga Goetze ihr seelenfriedengefährdendes Werk. Auch an diesem Wochenende wurde die Wackere mit ihrem buntgemalten »Ficken ist Frieden«-Tranparent gesichtet. Nicht nur muß der Wahrheitsgehalt dieser Parole naturgemäß bezweifelt werden, Goetze verschmäht offenbar auch Periodica wie 'Quick‘ oder 'Neue Revue‘. Beide gaben in der letzten Woche Dramatisches bekannt. Nach einer Schätzung des »Berufsverbandes Deutscher Psychologen« sind rund 500.000 Männer und Frauen in diesem Lande sexsüchtig. Die meisten haben wegen ihrer Krankheit nacheinander Job, Familie und Selbstachtung verloren. Viele irren heimatlos umher auf der Suche nach frischem Menschenfleisch. Das berichtet in der 'Quick‘ einer, der es wissen muß: »Bettgeflüster«-Pionier Schmeichel. Wenn man sich vorstellt, daß alle diese Männer und Frauen vielleicht Opfer von Goetzes Friedensbotschaft sind, dann fragt man sich doch, warum sich nicht endlich ein mutiger Berliner findet, der aus dem verhängnisvollen »Ficken ist Frieden« ein sauberes »Frieden ist Frieden« macht. Aber, so der Sport-III-Moderator: »Sie wissen ja, es gibt wichtigeres als Frieden.« Doja Hacker