Eine Woche Krieg im Fernsehen: Vom Informationshunger zur Routine

Wurde in den Tagen vor Ablauf des Ultimatums durch das Fernsehen ein kaum erträglicher Spannungsbogen aufgebaut („Nur noch 24 Stunden bis zum Ende des Ultimatums“), so ist das imaginäre Drehbuch, das für den Krieg an der Medienfront geschrieben wurde, nun abrupt abgebrochen. Dank der Zensur findet eine Berichterstattung, die diesen Namen zu Recht trüge, nicht statt. Nicht Schwerverwundete, Tote, zerfetzte Leiber oder abgerissene Gliedmaßen werden gezeigt, sondern gestriegelte Presseoffiziere, die zur Frühstückszeit vermittels Videoeinspielungen die technische Überlegenheit der alliierten Lufteinheiten verkaufen. Das Ganze wird so zum harmlosen sportiven Ereignis, über das das Fernsehen mit sauberen, ordentlichen Bildern berichtet.

Ein Phänomen aber hat der Golfkrieg auf den Punkt gebracht: den Hunger nach aktueller Information. War der bislang nur im publizistischen Gewerbe bekannt, wo die Verfügungsgewalt über News ohnehin als Zeichen besonderer Kompetenz gilt, so zeigte sich auch beim Zuschauer verstärkt ein Bedürfnis nach dem Dabeisein. Der kommerzielle Nachrichtensender CNN hat dieses Live-Dabeisein- Bedürfnis adäquat befriedigt. Aber auch die Öffentlich-Rechtlichen wurden dem Bedürfnis nach Live- Haftigkeit mit ihrer Ereignisberichterstattung gerecht. Und so hingen nicht nur die Kommunikationsprofis nächtelang vor der Glotze, auch Otto Normalverbraucher hatte das Nachrichtenfieber gepackt. Channel-Switching war das Gebot der Stunde. Hier zeigte sich eine merkwürdige Sucht nach umfassender aktueller Information, die die innere Spannung abbauen hilft. Die Spur dieser Informationssucht führt vom Platz des Himmlischen Friedens, wo die chinesische Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen wurde, über den Fall der Berliner Mauer zum Aufmarsch der alliierten Truppen in der Golfregion.

Was nun gegenwärtig aus unserer Glotze quillt, ist aber weniger, wie erwartet, eine Ästhetisierung des Krieges, sondern eine der Kriegstechnologie. Die Berichterstattung, die den wirklichen, den schmutzigen Krieg außen vor läßt, reduziert sich auf die Darstellung modernster Waffengattungen und hochentwickelter Technologien.

Aber die hohe Zeit der Experten für militärische Kriegsführung und des Nahen Ostens ist bereits vorbei. Der Höhepunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit ist überschritten, dafür ist die verstärkte Nachfrage nach Unterhaltungsvideos in den Videoshops ein Beleg. Der Bericht von der Kriegsfront wird zur alltäglichen Routine. Mag auch die Betroffenheit über den Bombenhagel noch so groß sein, der Alltag, sprich die Fernsehgewohnheit ist eigentümlich resistent. Spätestens dann aber erweist sich die pure filmische Fiktion als faszinierender als diejenige Realität, die wir, dank der Zensur, nicht zu Gesicht bekommen. Die Fernsehanstalten können getrost zum gewohnten Programm zurückkehren. Karl-Heinz Stamm