Für die Pharmaindustrie 600 Millionen aus dem Steuertopf?

Bonn (dpa/ap) — Die Arzneimittelpreise in den neuen Bundesländern sorgen weiter für Ärger. Empört wiesen die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen am Dienstag einen Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zurück, der den Anfang des Jahres mühsam mit der Pharmaindustrie ausgehandelten Kompromiß umsetzen soll.

Nach Ansicht der Kassen macht dieser Entwurf ungerechtfertigte finanzielle Zugeständnisse an die Hersteller. Außerdem sei die von der Industrie zugesagte Aufhebung des Lieferboykotts und die Belieferung mit Preisabschlag noch immer nicht überall in den neuen Ländern gewährleistet, kritisieren die Kassen, in denen mehr als 90 Prozent der Bundesbürger versichert sind. Den Versicherten würden immer noch unzulässige Zuzahlungen abverlangt. Ab 1. April soll der Preis für Arzneimittel in West und Ost gleich sein. Das zu erwartende Defizit der Ostkassen soll nach einem komplizierten Stufenmodell von den sogenannten Marktbeteiligten — Herstellern, Apothekern und Großhändlern — in den nächsten Jahren mit Milliardenbeträgen zu einem großen Teil gedeckt werden. Nach Darstellung der Kassen sieht der Referentenentwurf vor, daß 600 Millionen Mark, die die Bundesregierung den Kassen als Anschubfinanzierung für den Aufbau der Krankenversicherung Ost zugewiesen hatte, zunächst für die Deckung des Arzneipreisdefizits verwendet werden sollen. Nach ihrer Ansicht dürfen die 600 Millionen Mark nicht als Entlastung für die Pharmaindustrie dienen.