„Wir werden Ordnung schaffen“

■ Ein ehemaliger Angehöriger der „Schwarzen Barette“ berichtet aus dem Innenleben dieser Sondereinheit SCHWARZE BARETTE

Die „Schwarzen Barette“ sind in Lettland nicht nur seit den letzten Tagen ein Synonym für die brutale Willkür einer Sondereinheit des Moskauer Innenministeriums. 1988 zur Bekämpfung von Schwerstverbrechen, Massenunruhen und Ausschreitungen gegründet und mit Pistolen, automatischen Waffen, Schlagstöcken, gepanzerten Fahrzeugen und Jeeps ausgerüstet, entzieht sich diese Truppe seit der Unabhängigkeitserklärung Lettlands am 4.Mai 1990 jeglicher Kontrolle durch die rechtmäßige Staatsmacht. Dem lettischen Innenministerium gegenüber hat sie erklärt, sie würde nur solche Befehle befolgen, die nicht im Widerspruch zu den Verfassungen der Sowjetunion und der Lettischen SSR sowie Dekreten des Präsidenten der UdSSR stehen — ein deutlicher Affront gegen den Souveränitätsanspruch der Baltenrepublik.

Seit dem 27.September 1990 patrouillieren die Schwarzen Barette durch das Pressehaus in Riga, seit dem 2.Januar 1991 steht der Gebäudekomplex unter völliger Kontrolle der Sondereinheit, die auf diese Weise das Eigentumsrecht der orthodoxen KP Lettlands unter ihrem Chef Alfred Rubiks durchsetzt.

Hatte sich das Auftreten der Schwarzen Barette bislang auf martialische Präsenz und die eine oder andere Rangelei mit empörten Demonstranten beschränkt, so hat es in der Woche nach den blutigen Ereignissen in Vilnius deutlich an Brutalität gewonnen. Wiederholt nahmen Untereinheiten der etwa 120 Mann starken Truppe Fahrzeuge unter Beschuß, mit denen die Bevölkerung in Riga die Zufahrten zur Innenstadt blockiert; bei einem derartigen Überfall wurde am 16.Januar Roberts Murnieks, der 39jährige Fahrer des lettischen Transportministers, durch einen Schuß in den Kopf tödlich verwundet.

Fünf Tote und mindestens zehn Verletzte sind schließlich die schreckliche Bilanz der Erstürmung und vorübergehenden Besetzung des lettischen Innenministeriums in Riga durch die Schwarzen Barette in der Nacht vom 20.auf den 21.Januar.

Was ist das für eine Einheit, die auch unter ihrem russischen Kürzel OMON („Polizeieinheit für Sondereinsätze“) bekannt ist, und auf wen hört sie? Erste Ansätze zu einer Antwort sind in einem von der Pressestelle des lettischen Parlaments veröffentlichten Interview zu finden, das die Journalistin Anta Busa letzte Woche mit German Glasow geführt hat. Dieser hatte nach den tödlichen Schüssen auf die Straßenblockierer den Dienst bei den Schwarzen Baretten quittiert.

Auf die Frage, ob er wisse, wer den Befehl zum Überfall auf die Polizeischule in Riga in der Nacht auf den 15.Januar gegeben habe, berichtet Glasow: „Um ein Uhr morgens wurde Alarm geschlagen, fast die gesamte Einheit fuhr hinaus. Wir fuhren am Gebäude des ZK [der KP Lettlands] vor, unsere Kommandeure gingen hinein und blieben dort etwa anderthalb Stunden. Dann kamen sie heraus und sagten, wir würden zur Polizeischule fahren, um diese zu entwaffnen.“ Zuerst habe man die Wohnquartiere der Schule umstellt und die Polizeischüler gewarnt, sich nicht zu zeigen, andernfalls werde man auf sie das Feuer eröffnen; gegen Ende dieser Aktion seien alle Angehörigen der Sondereineit in die Waffenkammer gerufen worden, um die Waffen abzutransportieren. „Die Kisten waren schwer — jede so um die 95 Kilogramm. In dem Durcheinander hörte ich meinen Kommandeur sagen: ,Jungs, schneller, schneller, gleich können die Fallschirmspringer auftauchen.‘ Das dauerte etwa 20 Minuten, danach wurden die Fingerabdrücke beseitigt.“

An dieser Passage ist sowohl die kriminelle Energie der Schwarzen Barette als auch der Umstand bemerkenswert, daß diese Einheit offensichtlich nicht denselben Befehlen unterworfen ist wie die in der Republik stationierten Sowjettruppen, die sich bislang an ihre Zusage halten, nicht in die inneren Angelegenheiten Lettlands einzugreifen.

Weitere Fragen und Antworten: „Übt in eurem Quartier in Vecmilgravis nur euer Befehlshaber die Kommandogewalt aus oder erscheinen dort auch andere Militärpersonen?“ — „Ich habe dort sehr oft Leute von der Staatssicherheit gesehen wie auch den ehemaligen [moskautreuen Innen-] Minister Steinbriks, vor einem Monat ungefähr.“ — „Habt ihr die Zuwendungen an Geld (Prämien) von der Division in Vilnius bekommen oder anderswoher?“ — „In der Einheit gingen Gerüchte um, daß sie von der KP Rubiks stammen.“ — „Und wie hoch waren diese Zuwendungen?“ — „Bis zu tausend Rubel, doch nicht für alle gleich hoch. Es wurden auch Vergütungen anderer Art gewährt, wie Geschirr, Möbel, importierte Kleidung usw.“ — „Hat euer Kommandeur über die zukünftigen strategischen Aufgaben eurer Einheit gesprochen? Wozu geschehen denn all diese Aktionen?“ will die Journalistin wissen, „ihr kämpft doch nicht gegen das organisierte Verbrechen oder gegen Banditen.“ — „Ja sicher — das geschieht alles im Namen einer lichten Zukunft. Wir werden den Faschismus zur Strecke bringen, der sein Haupt in Lettland erhoben hat. Wir werden eine Kreatur des Präsidenten auf das Schild heben. Wir werden gewissermaßen seine persönliche Garde sein. Und danach werden wir die Bekämpfung des Verbrechens angehen. Wir werden Ordnung schaffen“, faßt Glasow den Auftrag der Sondereinheit zusammen.

Schließlich die Frage, ob die Schwarzen Barette auch auf eine Menschenmenge schießen würden. Die Antwort: „Einige sind dazu bereit, doch die meisten behaupten, daß sie nur Feuer erwidern und nicht auf unbewaffnete Menschen schießen werden.“ rob.