Bonn reagiert auf Todesexporte

Strafverschärfung und Geheimdiensteinsatz sollen illegale Waffenexporte eindämmen  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die hehren Worte von der rigerosen Waffenexportverschärfung, die der neue Wirtschaftsminister Möllemann (FDP) von sich gibt, haben einen Schönheitsfehler: Die FDP und Möllemann sind im Frühjahr letzten Jahres bei der Novellierung des Kriegswaffenkontrollgesetzes dafür eingetreten, die Mindeststrafe für illegale Waffenexporte von zwei auf ein Jahr zu senken, damit die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Erst der Bundesrat konnte mit seiner SPD-Mehrheit den entsprechenden Beschluß des Regierungslagers revidieren. Verlangt hatte die FDP auch, daß Exporte im Bereich von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen nur dann eine Strafverfolgung nach sich ziehen sollten, wenn der Verstoß „nicht unerheblich“ ist. Von Strafe ausgenommen werden sollte das „leichtfertige Fördern“. Auch in seiner ehemaligen Tätigkeit als Staatsminister im Auswärtigen Amt hat Möllemann beim Waffenexport für eine „Liberalisierung im schlimmsten Sinne des Wortes viel übrig gehabt“, erinnert sich der SPD-Rüstungsexperte Gansel.

Nun aber sollen wir dem Öffentlichkeitsarbeiter Möllemann glauben, dasselbe Wirtschaftsministerium, welches unter seinen FDP- Vorgängern die Exportlizenzen für die tödliche Ware verteilte, werde konsequent gegen die Todeskrämer vorgehen. Bereits heute will Möllemann im Bundeskabinett einen ersten Zwischenbericht über Maßnahmen vorlegen, die die Staatssekretäre der Ministerien für Justiz, Finanzen, Innen, Wirtschaft sowie dem Auswärtigen Amt und Kanzleramt erarbeitet haben; anschließend wird der Wirtschaftsausschuß des Bundestags über eine Verschärfung der Strafbestimmungen debattieren. Gezielt wird auf eine verstärkte Ausfuhrkontrolle und Gewinnabschöpfungsmaßnahmen. Einig ist man sich wohl auch, künftig geheimdienstliche Mittel stärker einzusetzen. Enger zusammenarbeiten sollen der ausschließlich für Auslandsaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz, der nur im Inland tätig ist.

Eine Weitergabe der im Ausland gewonnenen Erkenntnisse an deutsche Strafverfolgungsbehörden wird vom SPD-Abgeordneten Gansel allerdings als „Selbstverständlichkeit“ eingestuft. Für die Bundesregierung galt das bislang jedoch nicht: Die von der deutschen Botschaft in Moskau frühzeitig nach Bonn gesandten Informationen über die deutsche Beteiligung am Bau der Giftgasfabrik im lybischen Rabta erreichte jedenfalls nie den Staatsanwalt. Gansel hat der Bundesregierung darüber hinaus vorgeworfen, nicht einmal die bestehenden Gesetze anzuwenden. So gibt es bereits die Möglichkeit, bei entsprechenden Verdachtsmomenten Rüstungsunternehmen die „Zuverlässigkeitsbescheinigung“ zu entziehen. Doch davon ist weder bei MBB, noch bei Salzgitter, Siemens oder Preussag Gebrauch gemacht worden.

Nach den „jahrelangen Verharmlosungen, Unterlassungen und Versäumnissen“ der Bundesregierung bei der Kontrollpraxis fordert der SPD-Vorsitzende Vogel nun, Verstöße gegen das Rüstungsembargo der UNO müßten endlich als Verbrechen und nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Die SPD will über die Verschärfung bereits in der kommenden Woche innerhalb der Regierungserklärung des Bundeskanzlers diskutieren. Bereits in Verdachtsfällen müßten Ministerien und Behörden verpflichtet sein, den Staatsanwalt einzuschalten, sieht ein SPD-Antrag vor. Die SPD verlangt auch, Gewinne aus den tödlichen Geschäften restlos einzuziehen und bei begründeten Verdachtsfällen die Unternehmen stillzulegen. Arbeitnehmer werden außerdem aufgefordert, die Strafverfolgungsbehörden beim Verdacht auf illegale Waffengeschäfte zu informieren. Das sei „Bürgerpflicht und keine Denunziation“, vertritt der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Dreßler.

Die SPD-Vorschläge liefen auf ein Herstellungsverbot für atomare, biologische und chemische Waffen hinaus, erklärte Vogel. Ein Herstellungsverbot für konventionelle Waffen hält der SPD-Vorsitzende allerdings für unrealistisch.

Die SPD will darüber hinaus das Verbot des Rüstungsexports in Nicht-Nato-Länder im Grundgesetz verankern. Weil für die notwendige Zweidrittelmehrheit auch das Regierungslager gefordert ist, wird der Antrag bei der SPD auch als „Nagelprobe“ angesehen, wieviel die markigen Worte aus FDP und CDU/ CSU wert sind. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt bereits jetzt vor pauschalen Vorverurteilungen. Die deutsche Gesetzgebung gelte weltweit als vorbildlich.